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Sonntag, 10. März 2002
kuhlbrodt
knoerer
12:10h
Jetzt erst entdeckt: die Tagebuchserie von Detlef Kuhlbrodt in der Jungle World. So einer, den ich nur aus dem Veröffentlichten kenne und von daher sehr sympathisch finde. Noch sympathischer wird er einem durch diesen Blick durchs Schlüsselloch in seine zwischendurch nicht mehr untervermietete 5-Zimmerwohnung. Sehr viel ist aus diesen Texten zu lernen: über eine Existenz am Rand des Kulturbetriebs; ganz am Rand, muss man wohl sagen über einen, der vorwiegend mit taz-Schreiberei so über die Runden kommt. Einer, der sich tatsächlich ein Gewissen macht. Über die Welt und das was er schreibt. Der sich, das muss mal so pathetisch gesagt sein, nicht verkauft, obwohl er, vermutlich, mit nur ein bisschen Verbiegen, ganz gut verkäuflich wäre. Sollte mal irgendwer, viel später, ein Interesse haben, wie das gewesen sein könnte, jenseits von Berlin Mitte gelebt zu haben, damals, in den Zeiten von Berlin Mitte, dann wird man Kuhlbrodt lesen müssen. (Vermutlich wird aber auch später keiner ein Interesse haben.) "Eine Weile lief's dann prima und dann halt nicht mehr so. Man wird älter, lebt immer noch vom Journalismus im Kulturbetrieb, der einem fremd ist, obgleich man mit drin steckt, man schreibt immer noch für die taz, weil man da halt zu Haus ist und einem die anderen Zeitungen suspekt sind und weil man viele, die bei der taz arbeiten, nett findet, und weil man ab und an ein Lob kriegt von Leuten, die in ähnlich unsicheren bis verpeilten Zusammenhängen leben. Gleichzeitig kotzt einen das eigene Schreiben immer öfter an, das Kettenrauchen am Schreibtisch macht einen fertig, und viele Artikel traut man sich gar nicht mehr, noch mal zu lesen. Oder Einträge wie dieser (man muss ja gar nicht Balzac lesen, um zu wissen, dass nichts konkreter ist als Geldsummen. Man müsste einen Roman schreiben wie eine Bilanzliste. Das Leben als Anhängsel von Ausgaben und Einnahmen): Kontoauszüge. Deprimierend: - 4.564,44. Andererseits: Vor einem Monat waren es noch - 5.141,-. Ein bisschen stolz, dass ich im letzten Monat nur 376,- fürs normale Leben ausgegeben habe. Oder dieser: Annettes Geburtstag. Jens sagt, er werde im nächsten Jahr wahrscheinlich irgend so eine drei Meter hohe Figur in Dresden an einer Kirche machen. Zwei vor ihm sind daran schon gescheitert. Beide tot. Einer wurde vom Gabelstapler getötet. Der Tod spielt ohnehin eine prominente Rolle im Tagebuch, das von vorne bis hinten lesenswert ist, hier die Links zu den einzelnen Teilen: Nein, vorher noch dieses Zitat: Stoned. Wie komisch unzusammenhängend mir mein ganzes Leben vorkommt. Kein schlimmes Gefühl. Aber auch nicht besonders romantisch. Vor allem gehetzt, unruhig. Ach, Unsinn. Die Tage gefallen mir doch, es ist schön, der neue, weiche Schnee, der dort draußen liegt.
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