Ich bin mit Thomas Gottschalk groß geworden. Die B3-Radioshow (mit Günter Jauch) hat mir manchen tödlichen präpubertären Provinznachmittag gerettet. Aber heute ist Gottschalk ein alter Sack, eine Art Vater, für den man sich schämt. Mir fällt kein Grund mehr ein, mit dem ich ihn verteidigen könnte. Ich kann "Wetten dass...?" nicht mehr sehen ohne eine Gänsehaut des Peinlich-Berührtseins. Ich kann nur immer fünf Minuten reinschauen, dann nehme ich reißaus. Letzten Samstag trat in diesen fünf Minuten Rod Stewart auf, von Gottschalk als einer der Lieblingsgäste angekündigt. Es war entsetzlich, zum Heulen. Ein Medley der Hits, die Gottschalk auch schon damals, einst, vor einer Ewigkeit in der Radioshow gespielt hat. Aber nicht die Zeit ist stehengeblieben, sondern Rod Stewart sind es und Gottschalk und all die geistigen Frührentner, die seines Geistes sind. Es war zum Heulen, "Baby Jane" im schauerlichen Playback zu sehen/hören. Diese Musik rührt an etwas, mag reine Nostalgie sein, aber ich bin jetzt ein erwachsener Mensch und die einzig vernünftige Haltung dazu ist, über die eigene Sentimentalität solidarisch zu lächeln. Das aber so vorzuführen, mausetot und nicht zu merken, wie mausetot, wie herzzerreißend furchtbar das ist, das ist die wahre Bankrotterklärung von Gottschalk und "Wetten dass...?"
online for 8641 Days last updated: 26.06.12, 16:35