Samstag, 18. November 2006
unsortierte gedanken zu fernsehserien

Ich sehe viele US-Fernsehserien im Moment und bin mehr denn je davon überzeugt: das ist derzeit der interessanteste Ort, das interessanteste Medium weit und breit, womöglich nicht nur im kommerziellen Sektor. Hollywood ist jedenfalls längst weit abgehängt. Nirgends wird - Steven Soderbergh zum Trotz - derzeit mehr probiert und mehr gewagt. Alles scheint erlaubt, fast nichts unmöglich. Es gibt dafür Gründe. Oft werden die "Sopranos" als Revolution bezeichnet, als die erste, konsequent durcherzählte Serie der neueren Zeitrechnung, die großen Erfolg hatte. Typischerweise funktionierten TV-Serien immer in Staffelform als in sich abgeschlossene Episoden, als Mini-Filme, die kettenförmig aneinander hingen. Dann kamen die "Sopranos" und "24" und "The Wire" und "Deadwood" und "Battlestar Galactica" und warfen die alte Weisheit über den Haufen, dass man die Zuschauer nicht über rund 20 Folgen lang mit einem Plot auf die Folter spannen darf. ("Twin Peaks" war ein Sonderfall. In jeder Hinsicht.) Vermutlich sind diese neuen Serien nur das Symptom der Medienrevolution DVD; man kann Serien jetzt am Stück sehen und wenn man das tut, macht es mehr Spaß (und schneller süchtig), wenn alles an einem zentralen Plot hängt. Es ist dadurch aber denkbar geworden, Serien als Fortsetzungsromane zu konzipieren, d.h. als Mischung aus fortgesetzter Cliffhangerei (da hat "24" ungeheure Virtuosität entwickelt) und wirklichem Komplexitätsaufbau von Narration und Charakteren zugleich (da scheint mir "Battlestar Galactica" unübertroffen). Die besten Serien entwerfen inzwischen fast unüberschaubare Multipersonenpanoramen, die von Autorenkollektiven in einer Mischung aus Planung und Improvisation vorangetrieben werden. Vielleicht ist das sogar der interessanteste Aspekt: das kollektive Schreiben einer Serie, für die es keinen definitiven Masterplan gibt. Vieles entsteht "on the fly", schon beim Schreiben, oder sogar noch auf dem Set, und zwar unter beträchtlichem Zeitdruck. Das alles findet statt in einer hochbeschleunigten Industrie mit ausdifferenzierten Sektoren (Bezahlsender wie "HBO" und "Showtime", Nischensender wie "SciFi", die großen öffentlichen Sender wie "NBC" oder "CBS") und großem Konkurrenzdruck, dabei aber - stellenweise - beträchtlicher Innovationsoffenheit.

Ich staune immer wieder, in wie starkem Maße viele dieser Serien wirklich in Improvisation zu entstehen scheinen. Das ist mit dem alten Hollywood-Studiosystem kaum zu vergleichen, da war die Anteiligkeit eher fordistischer Art. Jeder hat an seinem Fließband sein Ding gedreht. Bei der Erarbeitung von TV-Serien aber scheint es ständig Story-Sessions, Gespräche, Entwürfe, Überarbeitungen, aber auch aus der Laune des Moments heraus entstandene Ereignisse zu geben. Ich kopiere eine Beschreibung dieser Kollektivarbeit von David Weddle, der als "story editor" bei "Battlestar Galactica" fungiert. Ich wüsste nicht, wo Schreiben und Erzählen sonst in dieser Weise als Mischung aus Improvisation und Gemeinschaftsarbeit institutionalisiert oder institutionalisierbar wäre:

As a group we outline the broad strokes. Then the writer of that episode goes off and develops a story outline, which is like a synopsis of the show. Many of us also develop scene-by-scene outlines. Ron reads all of this and gives us notes and the stories are further developed and refined. Then we write the scripts. But we may deviate from an outline if we feel it isn't working or could be improved. Sometimes we tell Ron about changes we are making, sometimes we surprise him by letting him discover them when he reads the script.... We do a very detailed scene-by-scene outline together. Then we usually write a draft of the teaser and first act of the show. In this first draft we each write separate scenes. Brad will often do the first draft of particular characters' story lines and I fill follow other characters. Then we trade the scenes and rewrite each other. Then we come together for a final "negotiation pass" in which we do the final refining of the scenes together. After teaser and one are locked, we move on to Act 2, then 3 & 4. It's a weird process that nobody but us understands. By writing and rewriting separately, we are both free to bring nuances and elements to scenes that are difficult to verbally negotiate. The final result are scripts that are much richer and more textured than we would have written on our own. It works kind of like a jazz combo. [q]

 
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last updated: 26.06.12, 16:35

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