Sonntag, 26. Januar 2003
Bob Ross
knoerer
11:19h
Ich hatte eine meiner schönsten Fernseherfahrungen vorgestern und Sie werden nicht glauben, wie das kam. In meinem Fernseher gibt es eine offizielle Welt der Kanäle, von eins wie ARD bis dreiundvierzig wie TV Polonia und wenn ich todmüde bin, abends, zappe ich einmal vor und wieder zurück. Oft gibt's nichts, ich schalte aus und schlafe bald ein. Jedoch gibt's eine zweite Welt, ein Kanal-Hinterland, das vom Kabelanschluss über den Videorecorder-Tuner läuft und nur über die entsprechende Fernbedienung zu erreichen ist. Eine Welt hinter den Spiegeln, in der nicht vieles anders ist, aber der eine oder andere Sender findet sich nur dort. Zu ihnen gehört Euro-News und ich stolpere nur darüber und hinein, wenn ich auf der Fernbedienung des Videorecorders im für dessen Signal freigehaltenen Kanal drei spazierengehe. Da das Imaginäre so wichtig ist, mindestens, wie das Reale, gehört die bizarre Kanal-Topografie zum Fernseherlebnis dazu. Auf Euro-News gab's keine Nachrichten. Vielmehr stand da einer vor einer Leinwand, als ich vorbeischaltete, den Pinsel in der Hand und auf dem Kopf etwas, das ich zuletzt auf Fotos von Paul Breitner aus den 70er Jahren gesehen habe. Die Leinwand war zu zwei Dritteln weiß, rechts und unten schroffe Schwarzflächen, die nach unten hin mit Kreppband abgeklebt. Der Mann, der englisch sprach, aber einlullend, säuselnd wie der charismatischste Guru der Welt, dabei immer den Paul Breitner auf dem Kopf, begann, im Weißen herumzumalen. Farbe aufzutragen, gelb, dann orange. Er erzählte nebenbei, welchen Pinsel er jeweils benutzte, er tupfte und wirbelte, streichelte die Leinwand, noch längst war nicht klar, worauf das hinaus wollte. Vielmehr schien es, als wolle es gar nicht hinaus, auf Darstellung, als wolle es nichts sein als zärtlich kommentierter Farbauftrag. Auflösung eines manichäischen Schwarz und Weiß ins Bunte, viel ließ sich denken unterm hypnotischen Singsang des Mannes. Irgendwann sprach er von der Sonne, von Wolken und kaum, dass er's sagte (vielleicht hatte er's zuvor schon gesagt, aber ich hatte seine Worte die längste Zeit als Musik genommen), sah ich es auch. Es handelte sich bei dem, was er tat, um einen wirklich üblen Fall von Genremalerei. Die schwarze Fläche rechts würde sich formen zur Klippe, das Gelbe und Orange mit den schwarz getupften Schleiern, tatsächlich, war die wolkenverhangene Sonne und unten begann unter den kreisenden Strichen des Mannes eine Meeresoberfläche sich zu kräuseln, eine Welle sich aufzubäumen, die unter dem Rauschen von Weiß und Gelb und Blau auf den Strand schlagen würde. Das Bild, dessen Entstehen ich mit ungeheurer Freude zugesehen hatte und immer noch zusah, hier noch ein sanft geschwungener weißer Strich und da das Licht der Sonne, das sich auf den Klippen bricht, dieses Bild war, voilà, von unsäglicher Scheußlichkeit. Und ich war verzaubert, immer noch, als der Abspann lief. Bob Ross, glaube ich verstanden zu haben, hieß der Mann, was er tat, hatte Methode, die man im Fachhandel erwerben kann. Aber egal, alles egal, mich hatte, im Hinterland, die Magie des Fernsehens berührt in der dem Medium gemäßesten Gestalt.
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last updated: 26.06.12, 16:35 furl
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