Montag, 10. Februar 2003
My Life Without Me (Spanien/Kanada 2003)

Die 23jährige Ann, die sich mit Putzjobs über Wasser hält, zwei Töchter hat und einen Mann, der der einzige ist, mit dem sie je geschlafen hat, nachdem sie ihn mit 17 auf dem Nirvana-Konzert kennenlernte, Ann erfährt: sie wird sterben, bald, in zwei Monate oder drei. Keine ganz neue Geschichte, fast ein Genre: der Mann, die Frau, der oder die nicht mehr lange zu leben hat. Das Register, in dem das in der Regel erzählt wird, ist das Melodram. Viele Tränen fließen, während man der Hauptfigur beim Sterben zusieht. Nun wird man nicht sagen können, dass Isabel Coixets – übrigens von Pedro Almodóvars Firma „El Deseo“ produzierter, aber in Kanada gedrehter – Film kein Melodram ist. Das ist er schon, jedoch eins der eher leisen Töne.

Es fängt damit an, dass man Ann gerade nicht sterben sieht, sondern leben. Und auch da vermeidet Coixet das Klischee. Es geht nicht in erster Linie um die Erkenntnis, wie wertvoll das Leben ist, wie wenig man es, im Alltag zum Tode lebend, geachtet hat. Ann nämlich lebt ihr Leben weiter, verrät keinem, wie es um sie steht. Das erste was sie tut: sie setzt sich in ein Café und macht einen Plan, eine Liste. Zehn Dinge, die sie tun will, bevor sie stirbt. Sex haben etwa mit einem anderen Mann als dem ihren, nur um zu wissen, wie es ist. Und Kassetten aufnehmen mit Geburtstagsgrüßen für ihre Töchter, bis sie 18 sind. Ihren Vater besuchen, der im Gefängnis sitzt, ein erstes und letztes Mal. Eine neue Mutter finden für ihre Kinder, eine neue Frau also für ihren Mann.

Das erstaunliche ist nun, dass der Rest des Films nichts anderes ist als die Erfüllung dieses zu Beginn aufgestellten Plansolls. Punkt für Punkt arbeitet Ann, arbeitet der Film das ab. Im Waschsalon trifft sie Lee, einen George Eliot lesenden, etwas schüchternen, etwas verkorksten Landvermesser, sie haben Sex, sie verlieben sich ineinander. Im Nachbarhaus zieht eine junge, gut aussehende Frau ein, sie lässt sie die Kinder hüten und lädt sie zum Abendessen ein. Das klingt merkwürdig – und lässt einen doch erst in der Häufung ins Grübeln geraten, was die Regisseurin sich dabei gedacht haben mag. Im Detail nämlich der einzelnen Szenen, des häuslichen Alltags, des Kennenlernens, ist immer wieder die Dezenz Coixets zu bewundern, das Feingefühl, mit dem sie kaum je die Emotionen zur Sentimentalität überzieht.

Der Hauptgrund, dass dieser Film nie wirklich auseinanderfällt, einem im Grunde sympathisch bleibt bis zum Schluss, ist die Hauptdarstellerin Sarah Polley – die ihre großartigste Rolle bisher in „Das süße Jenseits“ hatte, einem Film des Jury-Präsidenten Atom Egoyan. Zwar nimmt man ihr die Putzfrau keine Sekunde lang ab, ist im Gegenzug aber dankbar, dass ihr Spiel von allen Grobheiten frei ist, dass sie jede der vom Drehbuch gelegentlich mit allzu deutlichen Strichen gezeichneten Situationen mit einer Subtilität meistert, die, nicht weniger als das das, diesen Film rettet. „My Life Without Me“ ist ein netter Film mit manchen Schwächen. Den Goldenen Bären als beste Darstellerin hat sich, trotz Nicole Kidman, Sarah Polley beim gegenwärtigen Stand der Dinge verdient.

 
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last updated: 26.06.12, 16:35

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