Donnerstag, 11. März 2004
knoerer
11:55h
Dean and Deluca Aus Glas, die offene Vorderfront dem Columbus Circle zugewandt und der Suedseite des Central Park: Das neue Time Warner Center. In den unteren Geschossen Laeden der gehobenen Gueteklasse, das erinnert an das World Trade Center, die Rolltreppe in die Untergeschosse, der Durchgangsverkehr. Im ersten Stock ein Borders-Buchladen. Waehrend Barnes & Noble sich mit Starbucks verbuendet hat, kooperiert Borders mit der New Yorker Cafekette Dean and Deluca. Es ist kurz nach eins. Der billigste Cafe kostet 1 Dollar 50, bei Starbucks sind es eins fuenfundfuenfzig. Schraeg vor mir eine Frau Mitte 30, ein junger Schwarzer, rote Gummihandschuhe haengen aus der linken hinteren Hosentasche. Sie spricht, er hoert zu. Sie traegt einen schwarzen Anzug, er traegt sehr informelle Kleidung: einen Pullover, dann die Gummihandschuhe. Sie ist verbindlich, in ihrer Stimme inszenierte Nachdruecklichkeit. Sie hat einen Stift in der Hand, aber keinen Zettel vor sich, einen grossen Kaffee, eine Serviette. Als der Mann weg ist, blickt sie ins Leere. Schraeg links von mir eine Frau Mitte 50, lange blondierte Haare, das Handy in der Linken, vor sich eine aufgeschlagene Zeitung. Sie telefoniert und haelt sich dabei die rechte Hand vor Mund und Handy. Man versteht trotzdem, was sie sagt. Hi George, it's me. Sie geht, sie laesst die Zeitung liegen. Die andere Frau sitzt jetzt allein am Tisch, starrt leer ins Leere, spielt mit dem Stift und der Serviette, trinkt nicht von ihrem Kaffee. Dann taucht eine junge Schwarze auf, setzt sich zu ihr an den Tisch. Wieder spricht die Frau, wieder ist sie verbindlich, wieder schweigt ihr Gegenueber. Ich stehe auf, streune ein wenig durch den Borders, mache ein Foto hinaus durch die Glasfront auf den Columbus Circle, dann gehe ich, von Norden kommend, weiter nach Sueden. Cardiff and Miller Im Westen von Chelsea, jenseits der 10th Avenue, gibt es dreierlei: Riesige Storage-Gebaeude, die, kaum noch verputzt, mit ueberdimensionierten Werbetafeln, herumstehen wie nie ausgepackte Kisten. Eine Auto-Werkstatt neben der anderen, Taxis auf hydraulischen Saeulen. Und die Galerien, in der 20. bis 24. Strasse, hinter jeder Tuer, die man oeffnet: Kunst. Uebergrosse Fotos, digital bearbeitet, von Thomas Demand, Baeume, Wald (vor einer solchen Wald-Tafel habe ich zuletzt auf dem Expo-Gelaende der Biennale in Venedig ein Broetchen verspeist). Erhabenheitsgemaelde, Fotos nachempfunden, von Robert Longo: Ein Blitz, der einschlaegt, eine Lichterscheinung. Vulkanausbrueche. In der 24. Strasse vier neue Werke des Duos Cardiff and Miller. Ein Koffer, aus dem ein Grammofontrichter waechst. Eine Bild-Sound-Installation: The Berlin Files. Tiefschwarz der Raum, zwoelf Lautsprecher, ich gerate in eine Kamerafahrt durch eine grosse Berliner Altbauwohnung. Klaviermusik. Durch einen Tuerspalt sieht man einen Klavierspieler. Die Kamera bewegt sich nicht durch diese Tuer, naehert sich von einer anderen Seite. Dann aber braust ein Orchester los, der Mann am Klavier hat die Haende im Schoss, spielt dann bei den gelegentlichen Einsaetzen seines Instruments. Die Kamera faehrt heran, im Schwarz des Klaviers spiegelt sich der Umriss einer Figur, die sich naehert. Schwarzblende. Die Orchestermusik braust auf, immer kakophonischer, bedrohlicher, steigert sich zu einem Hitchcockschen Hoehepunkt. Das Bild bleibt schwarz. Schnitt, eine Autofahrt, Schnee. Weissblende. Schnitt, ein weisses Feld, einer rennt von rechts vorne nach links hinten durch den Schnee. Weissblende. Anschwellende Geraeusche, Helikopter, Dramatik. Nicht ist zu sehen. Dann Wasser, darin treibendes Eis, ein Mann erzaehlt, wie er als Kind einmal beinahe ertrunken waere. Dann eine blonde Frau im Bett: You would have ruined my life. Sie lacht. Dann eine Bar, ein Mann singt, wie Karaoke, Rock'n'Roll Suicide. Dann loopt das Band, ohne Markierung, wieder an den Anfang, der so kein Anfang war, sondern nur ein zufaelliges Hineingeraten in eine Geschichte, die keine ist, aber eine zu sein scheint.
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