Freitag, 11. Februar 2005
Berlinale. Shonali Bos: Amu (Indien 2004; Forum)

Kaju kehrt heim in das Land, das sie nicht kennt. Mit der Videokamera ist sie in Neu-Delhi unterwegs, sie filmt das Sehenswürdige, das Pittoreske, begleitet von ihrer Cousine. Kaju ist hier geboren, von einer Frau adoptiert worden, die sie in die USA mitnahm, als sie drei Jahre alt war. Sie erinnert sich nicht, sie kehrt zurück zu ihren Wurzeln, sie ist neugierig und will alles wissen über diesen Teil ihrer Identität. Dass etwas nicht stimmt an dem Bild, das er so zeichnet, deutet der Film bald an, in Flashbacks, aus denen weder die Heldin, die sie hat, noch wir, die sie sehen, zunächst einmal schlau werden. Es gibt ein Geheimnis um die Herkunft Kajus.

"Amu", der Film, dessen Titel die Lösung des Rätsels benennt, aber nicht verrät, hat die Struktur eines Kriminalromans. Kaju wird zur Detektivin auf der Spur der eigenen Vergangenheit. Dieser Grundstruktur eines Erkenntnisprozesses werden flankierend eine Liebesgeschichte und ein Politszenario zur Seite gestellt. Kabir, der junge Mann aus Delhi, aus bestem Haus und von snobistischen Zügen nicht frei, ist der Einheimische, der Kaju führen und bei der Aufdeckung des Rätsels helfen kann. Das Rätsel ist ein Verbrechen und bald versteht man, dass die ganzen narrativen Manöver dieses Films einzig auf das Verbrechen aus dem Jahr 1984 hinaus wollen, das die Behörden bis heute nicht aufklären wollen.

Im Jahr 1984 wird Indira Gandhi getötet, von zwei Leibwächtern, die der Religionsgemeinschaft der Sikhs angehören. In Delhi kommt es zu Unruhen, Sikhs werden von aufgebrachten und von der Polizei unbehelligten – wenn nicht angestachelten – Hindus geschlagen, gequält, ermordet. Allein durch den Brand in einem Slum kommen mehr als 5000 Sikhs ums Leben. Kaju muss bei ihren Nachforschungen feststellen, dass niemand darüber sprechen will. "Das sind mehr Tote als bei 9/11", sagt sie fassungslos. Zudem hat ihre Mutter nicht die Wahrheit über die Umstände der Adoption erzählt. Das eine hat mit dem anderen zu tun, für das, was wirklich geschehen ist, wird der Film in einer ausgedehnten Rückblende Bilder finden und präsentieren.

Da hat sich beim Betrachter längst ein ungutes Gefühl eingestellt. Weil der Film seine ganze Konstruktion, die Kriminalgeschichte, seine Figuren, Bild für Bild und Zug um Zug nur benutzt, um auf das hinaus zu kommen, worauf er es von Beginn an abgesehen hat: die Darstellung der Geschichte eines schrecklichen Verbrechens. Es ist dies ein Missbrauch des Kinos mit den nobelsten Absichten, aber vom Kino aus geblickt bleibt es ein Missbrauch. Auch weil dem die Idee zugrunde liegt, dass man eine Geschichte süffig verpacken muss, um die Leute dafür zu interessieren. Indem die Didaxe ihren didaktischen Charakter verleugnet und das, worum es ihr zu tun ist, in einen sachfremden Thrill wickeln lässt, verkauft sie nicht nur ihr Anliegen an die Rhetorik der Vermittlung, sondern auch den Betrachter für dumm. Politisch ist das Kino mit den eigenen Mitteln - oder es ist nicht politisch. "Amu" ist eine Soap Opera für die falschen Freunde von Amnesty International.

 
online for 8674 Days
last updated: 26.06.12, 16:35

furl

zukunft

cargo

homebase

film
krimi
tanz/theater
filmfilter
lektüren
flickr

auch dabei

perlentaucher
satt.org

fotoserien

cinema
licht
objekte
schaufenster
fenster zur welt
schrift/bild
still moving pictures

vollständig gelesene blogs

new filmkritik
sofa
camp catatonia
elektrosmog
elsewhere
filmtagebuch
url
mercedes bunz
greencine daily
the academic hack
verflixt & zugenewst
eier, erbsen, schleim und zeug
vigilien
oblivio
erratika
gespraechsfetzen
relatin' dudes to jazz
ftrain
malorama
Instant Nirwana
supatyp
ronsens
herr rau
kutter
woerterberg
Av.antville
random items
sarah weinman
Kaiju Shakedown
The House Next Door
desolate market

aus und vorbei

darragh o'donoghue
etc.pp
boltzmann

status
Youre not logged in ... Login
menu
... home
... topics
... galleries
... Home
... Tags

... antville home
November 2025
So.Mo.Di.Mi.Do.Fr.Sa.
1
2345678
9101112131415
16171819202122
23242526272829
30
Februar
recent
Updike-Fotos Ganz tolle Updike-Fotos.
(Via weißnichtmehr.)
by knoerer (18.02.09, 08:36)
nasal Ein Leserbrief in der
morgigen FAZ: Zum Artikel "Hans Imhoff - Meister über die...
by knoerer (17.02.09, 19:11)
live forever The loving God
who lavished such gifts on this faithful artist now takes...
by knoerer (05.02.09, 07:39)
gottesprogramm "und der Zauber seiner
eleganten Sprache, die noch die vulgärsten Einzelheiten leiblicher Existenz mit...
by knoerer (28.01.09, 11:57)

RSS Feed

Made with Antville
powered by
Helma Object Publisher

www.flickr.com
This is a Flickr badge showing public photos from knoerer. Make your own badge here.