Mittwoch, 22. Februar 2006
austin diary I
knoerer
21:38h
Beim Flug von Berlin nach Frankfurt steht bei der Ankunft Sabine Christiansen in der Gangway. Aha, denke ich, da steht Sabine Christiansen. Mehr denke ich nicht. Flug nach Chicago, mehr als neun Stunden. Hinter mir sitzt ein älterer Herr, der indisch aussieht. Nach wenigen Minuten schiebt sich sein nackter linker Fuß auf die linke Armlehne meines Sitzes. Ich schiebe ihn freundlich, aber entschieden wieder zurück. Dann singt er, lauter, leiser, hört auf, fängt plötzlich wieder an. Die Leute sehen sich um zu mir. Ich halte die Lippen ausdrücklich fest verschlossen. Dann ein spitzer Schrei der Frau zwei Sitze schräg hinter mir: "Don't touch me with your feet!" Ein Steward kommt und sagt "This is disgusting" und gibt der Frau einen neuen Platz. Der Inder singt immer lauter. Sie nehmen ihm den Whisky weg, den er vor sich stehen hat. Immerzu rumpelt er an meinen Sitz. Später kommt der Kapitän, nimmt den Inder ins Gebet. Es wirkt Wunder. Er legt sich hin, singt nicht mehr, schläft bis Chicago. Im Jetlag. Es ist kühl, feucht, nieselt, seit zwei Tagen. Ich wohne keine fünfzig Meter von dem Apartment entfernt, in dem ich vor elf Jahren gelebt habe. Aus dem Fenster des Schlafzimmers könnte ich, wäre 1995, jeden Morgen mich sehen, wie ich auf den Bus warte. Allerdings haben sie die Bushaltestelle verlegt. Wir haben Fernsehen, mit Kabelprogramm. Knapp 100 Sender. Viel Lokales, Sport, aber es läuft immer nur Eishockey, Schweiz – Italien und sowas, aber auch FX, wo neue Folgen von "The Shield" laufen. Vor allem aber "Turner Classic Movies", wo es rund um die Uhr Hollywood-Klassiker gibt. Gestern morgen (ich wache natürlich früh auf, schlafe früh ein), gestern morgen in einen seltsamen Film reingeschaltet, ein Arzt im Dschungel, sehr alt, schlechter Ton, völlig blödsinnige Geschichte, so weit ich das mitbekomme, aber dazwischen immer Einstellungen, die höchst erstaunlich sind, weil eindeutig vom Expressionismus beeinflusst. Heute endlich im Netz das Programm Schedule gefunden, der Film war "Arrowsmith" von John Ford. Nie zuvor gehört, um ehrlich zu sein. "Turner Classic Movies" kann man immerzu laufen lassen und sich so eine solide Hollywood-Halbbildung erwerben; es läuft da alles Mögliche, von bekannten Sachen zu erstaunlichstem Schrott. Im Moment: "Edison, the Man", ein Biopic mit Spencer Tracy in der Hauptrolle. Zum Central Market, sagte S., kannst Du durch den Park gehen. Na, Park, denke ich, das ist aber etwas hochgegriffen für dieses Stück Brachland, an das ich mich erinnere. Dann gehe ich da hin und da ist ein Park. "Central Park" nennt er sich, mit Teichen, sogar Gänsen und Schilf und Bäumen und einer ganzen Siedlung auf unbestimmbar alt gefaketer Häuser. Da war nichts vor elf Jahren, nur Brachland. Der "Central Market" aber ist fast unverändert, ein Delikatessenladen, in dem es alles gibt, das bayerische Graubrot noch haargenau an derselben Stelle wie damals. Als ich nach Hause komme, läuft bei TCM das Musical "Night and Day" mit Cary Grant und total verrückten knallbunten Farben.
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last updated: 26.06.12, 16:35 furl
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