Mittwoch, 15. März 2006
sxsw I
knoerer
19:08h
Dem coolsten Typen von Austin verdanke ich es, dass ich jetzt ein Badge für das SXSW-Filmfestival habe; er hat mir seines geschenkt, weil er's nicht braucht, sagte er. Es musste umgeschrieben werden, denn er ist dreißig Jahre älter als ich und 25 Zentimeter größer als ich und er hat einen mächtigen weißen Bart. Bob ist groß und eindrucksvoll. Wir sind zur registration gegangen, er hat sich hingestellt und gesagt "we have a situation hier", die Frau hinter der registration hat nach oben geguckt und ist irgendwann auf sein Gesicht gestoßen und sagt nur "no problem". In einen grünen Zettel trage ich meine Daten ein. Als sie sieht, dass ich aus Deutschland komme, sagt sie, sie habe gerade ein C+ auf ihren German-Test bekommen. Ich sage, weil man so etwas, denke ich, hier so sagt, "that's great". "Not really", sagt sie und macht keinen Versuch, deutsch mit mir zu reden. In der kurzen Schlange zum ersten Film, den ich mir ansehe, komme ich mit einem Paar aus Virginia ins Gespräch. Wir reden über Wim Wenders, Schwarzwälder Kirschtorte und das deutsche Regierungssystem. "What happened to Schroeder?", fragt der Mann. Worüber man so redet als Deutscher mit Amerikanern. Nicht über Hitler, immerhin. Er trägt ein grünes T-Shirt, Shorts und eine Sonnenbrille. Sie etwas fliederlich Gestreiftes, sie sind beide so Mitte Vierzig, schätze ich. Ich weiß gar nicht, wie sie heißen, wir haben einander, was sehr unamerican ist, gar nicht vorgestellt. Ich mache ein, zwei Versuche, etwas Ironisches zu sagen und treffe auf große Augen und blanke, ernsthafte Anteilnahme, da gebe ich es schnell wieder auf. Der Dokumentarfilm, den ich mit ihnen sehe, "Beethoven's Hair", hat ein reizendes Konzept – folgt nämlich einer am Totenbett von Beethovens Kopf geschnittenen Haarlocke, die in den Neunzigern von zwei Amerikanern namens Che Guevara (ein Urologe) und Ira F. Brillant bei Sothebys ersteigert wurde. Die Locke wird unter Tränen verehrt und mit großem Aufwand wissenschaftlich untersucht. Beethoven, stellt sich heraus, hat an einer massiven Bleivergiftung gelitten, deren Folge seine ständigen Schmerzen waren, die Taubheit auch. Alle sind furchtbar sentimental in dem Film und den Tränen nahe. Auch der Wissenschaftler in dem Teilchenbeschleunigerzentrum, der die Entdeckung mit dem Blei in der Locke macht. Auch der Film ist furchtbar sentimental und springt vom Totenbett Beethovens (nachgestellte Szenen) nach Wien und nach Dänemark und nach Australien und nach Köln und nach Arizona und nach Illinois, auf der Spur der Tränen, die sich weinen lassen um diese Locke. Crazy stuff, komplett bescheuert. "That was curious", sage ich zu meinen Amerikanern, hinterher. Sie sehen mich mit großen Augen an, ernst. Ich glaube, sie sind beeindruckt von dem Film. Es ist aber nur so ein Gefühl. "Any comments?", fragt die Frau. "Did you know all that?", fragt der Mann. Ich weiß nicht, was ich sagen soll und sage nur: "The actor who played dying Beethoven and spoke a few German words, he wasn't German, you know." Die Expertise des Filmkritikers. You know.
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last updated: 26.06.12, 16:35 furl
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