Samstag, 18. März 2006
die tage die vorüber gingen
knoerer
17:31h
Ich sitze auf unserer Veranda, es ist zehn Uhr morgens, wir haben in der Texas French Bakery gefrühstückt, es regnet. Im Internet verfolge ich die Schlussphase der Bundesliga im Liveticker. Hans Meyer ist mein Held. Freunde sind zu Besuch und gemeinsam sind wir weder in das Konzert mit Belle and Sebastian gekommen noch in das mit Steve Wynn. Fürs erstere wurden überhaupt keine Tickets verkauft, bei letzterem war die Schlange zu lang. Dafür sind wir ins Kino gegangen und haben einen furchtbaren Film gesehen, "Fired!", über eine Frau, die von Woody Allen bei der Inszenierung eines Theaterstücks gefeuert wurde. Er hätte es nicht tun sollen, denn sie hätte diesen Film dann nie gemacht. Ich habe noch mehr furchtbare Filme gesehen. "Summercamp" über amerikanische Summercamps war in erster Linie langweilig. Dafür war ich das erste Mal im Alamo Drafthouse Kino, wo man während der Vorstellung Essen bestellen kann. Das funktioniert, weil zwischen den Sitzreihen Gangreihen sind für die Bedienung. Ganz schrecklich war "Patriot Act", das Homevideo eines truppenbetreuenden Komikers namens Jeffrey Ross, der eine Woche im Irak unterwegs war. Die Soldatinnen und Soldaten kommen einem klüger und reifer vor als dieser Komiker. Übrigens taucht er auch kurz in "Fired!" auf. Nach "Patriot Act" wundert man sich nicht mehr über das Fehlveralten der Amerikaner im Irak. Sehr schön war der Film "Bata-Ville", aber ich müsste mehr Zeit haben, um zu erklären warum. Es ist der einzige Film, den ich auf dem Festival bisher gerne gesehen habe. Vorgestern waren wir in Houston, wir haben nämlich leihweise gerade ein Auto. Eine sehr nette Kollegin von S., die viele sehr nette Kolleginnen und Kollegen hat hier, hat es uns geliehen, während sie mit dem Flugzeug zu ihrem Mann nach Nashville, Tennessee pendelt. Er unterrichtet dort, sie unterrichtet hier. Ganz und gar bezaubernd ist in Houston die Menil Collection, eine der erlesensten, in ihrer Erlesenhei aber bescheidenen privaten Kunstsammlungen, die sich dem Öl der Schlumbergers verdankt. Renzo Piano hat in einem wunderbar grünen Viertel von Houston, nicht weit von der gleichfalls beinahe idyllischen Rice University, einen Museumsbau geplant, der sich aufs Reizendste in die Holzhäuser der Umgebung einfügt. Es gibt einen ganzen Sonderbau, der nur einigen der schönsten Werke Cy Twomblys gewidmet ist. Am Eingang sitzt ein soignierter älterer Herr, dessen Mutter aus Berlin stammt, der uns in beinahe makellosem Deutsch anspricht und uns seinen Freund, das Eichhörnchen, vorstellt, das tatsächlich an die Scheibe klopft. Dann macht er die Tür auf und gibt ihm eine Nuss. Auch mit einer Krähe ist er befreundet, auch sie bekommt eine Nuss. Gleich um die Ecke ist die Rothko Chapel, ein düsteres, sehr bewegendes Werk. Wie abgedunkelte Altäre hängen Rothko-Bilder an den Wänden. Es ist sein letztes Werk vor dem Selbstmord. Die eigentliche Menil Collection ist reich an Stil, auch an Magrittes und sei jedem, der auch nur in die Nähe Houstons gerät, dringend ans Herz gelegt. Weniger interessant als es klingt, ist das weit verzweigte Tunnelsystem unter der Downtown von Houston. Nachmittags um vier sind hier nämlich, bildlich gesprochen, schon die Bürgersteige hochgeklappt. Gestern dann waren wir auf dem Willie-Nelson-Konzert vor der Stadt, in einem heimeligen 3000-Zuhörer-Venue namens "The Backyard". Im Inneren saßen auf Stühlen mittelalte und ältere Herrschaften aus dem texanischen Herzland und sprangen auf, als Nelson – genauer gesagt: Willie – die Bühne betrat. Er tat dies ganz unzeremoniell, nachdem eine Countryrockröhre namens Angela Peterson nach gefühlten 150 Songs und einem nicht enden wollenden uncharismatischen Sich-Gewinde endlich weg war. Willies Konzert war großartig. Er hat einfach losgelegt, kaum einmal eine Pause zwischen den meistens zwei- bis dreiminütigen, stark in Blues getauchten Songs gemacht, nur gelegentlich Hüte aus dem Publikum zugeworfen bekommen – und Kopfbänder -, diese aufgesetzt und nach einer Weile wieder ins Publikum zurückgeworfen. Oft hat er den rechten Arm nach oben gestreckt und auch gesagt "I hear you" und dann auch oft Bewegungen mit der rechten Hand gemacht, bei denen der Daumen und die vier Finger gegeneinander klappten. Es war seine Art, uns zuzuwinken. Wir standen am Rand und hatten keinen Sitz und es wurde recht kühl und wir waren ziemlich glücklich. Am Ende des Konzerts hat Willie die ihm entgegengestreckten Hände am Bühnenrand geschüttelt und auch Hüte signiert, die man ihm reichte. Wir haben gelesen, dass als Special Guests von Morissey vorgestern Gang of Four und Ray Davies aufgetreten sind. Wir lesen von Konzerten und vielleicht versuchen wir es heute Abend nochmal. Mit unbekannten Bands, aber es ist gar nicht so wichtig, auf Konzerte zu kommen, denn wenn man nach dem Mittag durch die Stadt fährt oder geht, hört man allen Ecken Musik. Meist ist sie schön und gut. Heute Morgen habe ich meine erste Amtrak-Fahrkarte aus der Post geholt und Gary Sullivan schreibt mir, dass ich zwei, drei Tage bei ihm in New York übernachten kann.
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