Mittwoch, 9. August 2006
thanks for coming
knoerer
13:41h
Jeden Sonntag lädt Jim Haynes mich ein, Sie auch, jeden nämlich, alle Welt, bei ihm zu Abend zu essen. Die Adresse ist: Jim Haynes, atelier A-2, 83, rue de la Tombe Issoire 75014 Paris France. Telefonisch geht es auch: 00 33 1 43 27 17 67. Es werden, jeden Sonntag, neben mir und Ihnen auch alle Welt zu Gast sein, so fünfzig bis sechzig Leute. Es gibt keine Vorbedingungen; wir werden bekocht und zahlen dafür Geld, das im Umschlag überreicht wird. Wir werden niemanden kennen, nur eben, jetzt, den Gastgeber Jim Haynes. Er hat in den Neunziger Jahren Reisebücher veröffentlicht, in denen Adressen und Namen und Beschreibungen von Menschen aufgelistet sind, in Osteuropa vor allem, die sich über einen Besuch, einen Kontakt freuen würde, ganz wie Jim Haynes. The first entry in the latest book (Czech-Slovakia/Hungary/Bulgaria) is Eva Sulcova's, a 21-year-old butcher. She writes: "I have one brother. Now he is unemployed. I serve as a butcher, and I work in a flesh factory. This is a small village near a big town, Karlovy Vary. I am more romanticist than realist." The little symbols reveal that her passions include George Michael, and she will not have you to stay. Die Bücher waren kein Erfolg, sie wurden Anfang der Neunziger Jahre veröffentlicht und alles ist inzwischen ganz sicher veraltet. Manche wollen vielleicht keinen Kontakt mehr. Man verändert sich. Dreizehn Jahre sind eine lange Zeit. Nicht aber für Jim Haynes, der seine Einladungen seit bald dreißig Jahren veranstaltet. Alle Welt ist bei ihm zu Gast, jeden Sonntag, abends von zwanzig bis dreiundzwanzig Uhr. Wir dürfen jederzeit wiederkommen. Jim Haynes wurde 1935 geboren, in Louisiana. Er hat in den USA gelebt, Texas erst. Er war dann als Jugendlicher in Venezuela. Als Soldat kam er nach Schottland und blieb. Er mischte sich ins Avantgardeleben von Edinburgh. Nein, Unsinn, es gab kein Avantgardeleben in Edinburgh, also erfand er es. Indem er eine Buchhandlung eröffnete, The Paperback. Da gibt es Bücher, Kunst, Theater. Avantgarde. Sexuelle Befreiung findet statt. Vor seinem Laden wird deshalb Lady Chatterley Lover verbrannt. Der Traverse Theatre Club wird eröffnet, Jim Haynes leitet ihn eine Zeitlang. Es ist das Jahr 1963. The Traverse rapidly goes from strength to strength. John Calder, Kenneth Tynan and I co-organize the Drama Conference at the Festival with 120 people connected with the theatre in attendance. On the last day, the theme is "The future of the theatre" and a happening is organized by Charles Marowitz, Allan Kaprow, Ken Dewey, Carroll Baker and others in which a nude model, Anna Kesselaar, is quickly wheeled across the organ gallery. Outrage and scandal. The Lord Mayor of Edinburgh refuses to allow us to organize a Poetry Conference for 1964. Sexuelle Befreiung findet statt. Avantgarde. Jim Haynes veröffentlicht anti-marxistische Pamphlete, in denen er die Arbeiter auffordert, mit dem Arbeiten aufzuhören. Es gibt besseres zu tun. Haynes zieht nach London, eröffnet dort ein eigenes Traverse Theatre. Yoko Onos erstes Happening findet hier statt. 1967 wir das Arts Laboratory eröffnet, ein Raum für Experimente aller Art. Experimente aller Art finden statt. Auch David Bowie probt in The Lab. My policy is to try to never say the word "no" and in three years of running the Lab I almost never do so. Außerdem ist Jim Haynes einer der Mitgründer des UFO-Nachtclubs für Experimente aller Art. Die beiden unbekannten Hausbands sind Pink Floyd und The Soft Machine. 1968 ein erster Besuch in Paris. Find myself caught up in the "revolution". Standing outside the Odeon Theatre when it is seized, I am among the first dozen inside. Eigentlich will er nach Cannes, zum Filmfestival, aber das findet nicht statt. "Revolution" findet statt. Auch die sexuelle Befreiung geht weiter. Mit Leonard Cohen will Haynes eine intellektuelle Paperback-Reihe gründen. Er speist mit Brian Epstein und den Beatles zu Abend. Er speist mit Indira Gandhi zu Abend. Dann verlässt Haynes London, lebt in Amsterdam und Paris. Er beginnt Newsletter an alle Welt zu verschicken; bis heute sind es mehr als 600. In Amsterdam gründet Haynes die Zeitschrift für sexuelle Befreiung mit dem Titel SUCK und das "Wet Dream Festival" für den alternativen Pornofilm. Es ist, drei Jahre lang, ein großer Erfolg. Die Filme werden auf einem Lastkahn mitten in Amsterdam gezeigt. In Paris beginnt Jim Haynes an der Universität zu unterrichten, "Media Studies" und "Sexual Politics". Es ist das Jahr 1970. Für eine alternative Pornofilmkompilation mit dem Titel "Wet Dreams" ist Jim Haynes mitverantwortlich, Nicholas Ray dreht einen kurzen Film, auch Dusan Makavejev (unter dem Pseudonym Sam Rotterdam). Das ganze wird ein Desaster. SUCK wird eingestellt. Jim Haynes beginnt ein Hörkassettenmagazinprojekt, The Cassette Gazette, Yoko Ono und John Lennon und Laurence Ferlinghetti und Charles Bukowski lesen Texte. Das Fluglinienprojekt "Freelandia", an dem Haynes beteiligt ist, scheitert desaströs. Von Zeit zu Zeit speist er mit Samuel Beckett zu abend. 1979 beginnt er mit dem Sunday Dinner-Projekt. 1984 erscheint die Autobiografie "Thanks For Coming!". Die sechziger Jahre sind vorbei. Die siebziger Jahre sind vorbei. Jeden Sonntag lädt Jim Haynes mich ein, Sie auch, jeden nämlich, alle Welt, bei ihm zu Abend zu essen. Die Adresse ist: Jim Haynes, atelier A-2, 83, rue de la Tombe Issoire 75014 Paris France. Telefonisch geht es auch: 00 33 1 43 27 17 67. Es werden, jeden Sonntag, neben mir und Ihnen auch alle Welt zu Gast sein, so fünfzig bis sechzig Leute. Es gibt keine Vorbedingungen; wir werden bekocht und zahlen dafür Geld, das im Umschlag überreicht wird. Wir werden niemanden kennen, nur eben, jetzt, den Gastgeber Jim Haynes. [Das ist nicht mehr als die knappe Zusammenfassung von Informationen, die sich auf Jim Haynes' Website finden.]
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