Freitag, 12. Januar 2007
silvester
knoerer
13:11h
Silvester wurde unsere Katze todkrank. Man schreibt todkrank, nicht totkrank, aber, ehrlich, uns schien sie totkrank. Notdienst hatten nur drei Tierärzte an Silvester, wir nahmen den ersten besten nächsten. Der erste beste nächste trug den selben Namen wie ein Mann, der einmal DVU-Vorsitzender von Sachsen-Anhalt war. Er war im selben Alter wie der Mann, der einmal DVU-Vorsitzender von Sachsen-Anhalt war. Auch der Mann, der einmal DVU-Vorsitzender von Sachsen-Anhalt war, ist von Beruf Tierarzt. Ich habe nach Anhaltspunkten gesucht, die eventuelle Identität unseres Tierarztes mit dem Mann, der einmal DVU-Vorsitzender von Sachsen-Anhalt war, betreffend, aber ich bin bei Google nicht auf sachdienliche Hinweise gestoßen. Immerhin ist der Nachname, den sich – wie den Vornamen – unser Tierarzt und der Mann, der einmal DVU-Vorsitzender von Sachsen-Anhalt war, teilen, auf Platz 29 der in Deutschland verbreitetsten Nachnamen. Das habe ich herausgefunden. Der Tierarzt hat auch nicht gewusst, was unserer Katze fehlt. Er hat aber eine Geschichte erzählt von einer Frau, die einmal eine Katze so heftig trat, dass sie gegen die Wand flog. Dann hat sie pariert, sagt unser Tierarzt. Die Katze. Unser Tierarzt spricht auch von Türkenschulen, er brabbelt viel vor sich hin, er ist dick und macht Scherze darüber, dass er dick ist. Oder vielleicht keine Scherze. Hunde, sagt er, respektieren ihn, weil er so dick ist. Da parieren sie. Er spricht viel vom Parieren. Und von Türkenschulen in Kreuzberg spricht er auch. Am Tag darauf, als unsere Katze immer noch lebt und nur noch todkrank ist, suchen wir einen anderen Notdienst-Tierarzt auf. Er ist nett und hat keinerlei Ähnlichkeit mit Nazi-Politikern. Er hat eine Praxis in einer Altbau-Wohnung, im Aquarium im Wartezimmer schwimmt ein großer blauer Fisch mit einem riesengroßen, offenen, weißen Mund – es ist, erfahren wir auf Nachfrage, ein Barsch. Er sieht eindrucksvoll, aber nicht sehr intelligent aus. Unsere Katze bekommt Antibiotika. Der Arzt hat nicht viel Geld. Nicht einmal einen Computer. Er schreibt die Krankengeschichten auf Karteikarten. Die Karteikarten haben unterschiedliche Farben, Katzenkrankengeschichtenkarteikarten sind zum Beispiel grün. Es ist sehr teuer, unsere todkranke Katze wieder auf den Weg der Gesundheit zu bringen. Aber es lohnt sich. Sie scheint jetzt wieder ganz erholt, gestern war ich noch einmal beim armen, aber netten Tierarzt. Seine Praxis ist in Moabit. Auf dem Weg dahin mit dem Taxi bin ich das erste Mal durch den Tiergartentunnel gefahren. Er war sehr leer. Der Taxifahrer sagt: "Der Berliner hat den Tunnel noch nicht angenommen." Das sieht so aus. "Ich finde ihn aber nicht schlecht", sagt der Taxifahrer. Dann entwickelt er eine große Berliner Tunnelfantasie. Die Straßen sollten alle unterirdisch sein, da kommt den Autos nichts in den Weg. "Das gibt es doch schon", wende ich ein, "das ist die U-Bahn". Das will er nicht einsehen. Vorher haben wir über seinen Hund gesprochen, der 15 Jahre alt wurde. Ein Chow-Chow-Schäferhund-Mischling. "Eine Prinzessin", sagt der Taxifahrer. Die Fahrt ist kurz, viel kürzer, als wenn man über den Großen Stern fährt. Der Berliner ist schön blöd, dass er den Tunnel noch nicht angenommen hat. Silvester haben wir dann doch noch "Imitation of Life" auf DVD gesehen.
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last updated: 26.06.12, 16:35 furl
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