Montag, 16. April 2007
konfuzius sagt
knoerer
12:49h
An der Straßenbahnhaltestelle vor dem Mahatma-Gandhi-Gymnasium, an der Allee der Kosmonauten gelegen, sind die Glasscheiben herausgeschlagen und haben sich, zu milchweißen Scherben zertrümmert, auf die Straße ergossen. Der Radweg aber ist frei davon. Wir sind, nach dem Frühstück im Milagro mit K., die eine gute Zeit in Florenz hatte in den letzten Wochen, mit den Rädern aufgebrochen zum Erholungspark Marzahn. Wir haben gelesen, dass es darin einen chinesischen Garten gibt und auf der Website sehe ich auch einen japanischen und einen balinesischen und einen koreanischen verzeichnet. Die Route von Kreuzberg dahin habe ich mir, Nebenstraßen bevorzugt und möglichst kein Kopfsteinpflaster, von der BBBike-Datenbank vorgeben lassen. Die Route ist kompliziert, wir haben sie ausgedruckt, ich halte den Zettel in der Hand und gebe, als menschliches Navigationssystem, rechtzeitig Bescheid, wenn wir abgeben müssen. Zweimal sind die Angaben ungenau und wir fahren in die Irre. Wir haben einen Stadtplan dabei, aber die Straßen, auf denen wir plötzlich nicht mehr weiterwissen, sind schon nicht mehr verzeichnet. Ein braungebrannter Ostberliner auf dem Fahrrad hilft uns weiter. Insgesamt ist die Route angenehm, wir lernen viele Nebenstraßen kenne, die uns bisher unbekannt waren. Wir kommen an unserer alten Wohnung im Friedrichshain vorbei und von da sind es noch fünfzehn Kilometer bis zum Ziel. Auf der Allee der Kosmonauten war ich vor ein paar Jahren, als ich einen Monat lang von A bis Z auf Berliner Straßen unterwegs war. Erstaunlich wenig hat sich verändert. Der mehrstöckige Turm des Mitsubishi-Autohauses ist noch da, ich frage mich, wie oft die Autos darin ausgetauscht werden. Jedes Jahr vermutlich. Auch das Billigkino Sojus existiert noch am Helene-Weigel-Platz, Dienstags kostet der Eintritt, wenn ich das im Vorüberfahren richtig gesehen habe, nur 99 Cent. Zuvor haben wir Halt gemacht mit den Rädern an einer Tankstelle und ein Wasser gekauft. Nach mehr als zwanzig Kilometern – hin und zurück ist es dann ein Marathon – sind wir am Erholungspark, zahlen zwei Euro Eintritt und setzen uns zwischen all den Menschen, von denen viele aussehen wie Deutsche auf Campingplätzen, auf eine Bank. Wir lesen die Sonntags-FAZ und sie ist wie immer sehr langweilig. Dann machen wir uns auf zum japanischen Garten. Der Andrang ist groß, wir klettern im Gänsemarsch über Stock und Stein. Zwischendurch begegnen wir einer netten Professorin aus Frankfurt (Oder), die uns versichert, dass ihr das hier eigentlich nicht gefällt. Der koreanische Garten ist ein Geschenk der Stadt Seoul und auf einem Schildchen vor Tontöpfen steht, dass man die Deckel nicht anheben soll, die Töpfe seien ohnehin leer. Im balinesischen Garten, der sich in einem Gewächshaus befindet, sind sehr viele hübsche Orchideen. Es ist noch viel wärmer als draußen, wo es auch schön warm ist. Im Erholungspark sind womöglich noch mehr Menschen jetzt, die aussehen wie Deutsche auf Campingplätzen. In den Gärten aber auch asiatisch aussehende Menschen und wir fragen uns, was sie von der ganzen Sache wohl halten. Wir fragen uns auch, was wir von der ganzen Sache wohl halten. Am größten ist der chinesische Garten, mit einem See und einem Konfuzius-Denkmal, auf dem steht: "Was du nicht willst, das man dir tu / das füg auch keinem andern zu." Das also sagt Konfuzius. Rote chinesische Häuschen stehen am See, am Horizont sieht man Plattenbauten. Auf Hochhäusern zur anderen Seite, nach Hellersdorf hin, die man vom japanischen Garten aus sieht, ist Kunst auf dem Dach. Ein riesiger schwarzer Balken mit schwarzen Menschenfiguren, die auf dem riesigen Balken zu balancieren scheinen. Hier im Park liegen Menschen in der Sonne im Gras, darunter auch dicke Männer mit nackten Oberkörpern. Auf den Wegen in der Sonne sehen viele Menschen ziemlich glücklich aus. Wie glückliche Deutsche auf Campingplätzen. Es gibt natürlich schönere Anblicke. Auf dem Rückweg machen wir Halt bei unserem einstigen Lieblingsinder im Friedrichshain. Man isst da noch immer sehr gut.
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