Montag, 19. November 2007
ton in ton

Schwer fällt es, das Unansehnliche zu lieben, obwohl es doch so viel mehr als das Schöne der Liebe bedarf. Der Bahnhof von Schwerte bereitet einen Ton in Ton vor auf das, was die Stadt selbst zu bieten hat: von schwarzen Schindeln gelegentlich durchsetzte Normalhässlichkeit. Graue Fassaden, Haus an Haus, samstags um zwei gehen die Metzgereiangestellten schon mit dem Schlauch durch den Laden. "Meine Therapeutin hat gesagt", höre ich im Vorübergehen und kaufe das Sonderangebot in der Konfektionsbäckerei. Das Gebäck schmeckt, wenn man so sagen kann, ebenfalls unansehnlich. Es gibt Kunst im öffentlichen Raum, sie ist aus Metall, ein Trichter mit Löchern. Es sieht aus wie etwas, das vom Kinderspielplatz weggelaufen ist, weil keiner damit spielen wollte. Und dann hat es sich frustriert in der Innenstadt niedergelassen und ist da jetzt zuhaus, wie man in so einer Innenstadt eben zuhause sein kann. In der Fußgängerzone eine Kneipe Alt-Schwerte. Ich erinnere mich an das Alt-Ansbach in meiner Heimatstadt, das war auch so ein Loch. Ich gehe weiter und sehe, es sind im Gasthaus Pferdekämper noch Kegeltermine frei, Speise und Trank gibt's pauschal dazu. Schön, oder doch immerhin grün liegen die Wiesen auf dem Weg zur Ruhr, an deren Auen die Stadt aber ein vollständiges Desinteresse zeigt. Ja, sie wendet sich ab davon wie ein krankes Tier, das von der Schönheit der Welt nichts mehr sehen und nur noch in Ruhe sterben will. Der Tagungsort der evangelischen Akademie hat seine pittoresken Seiten, die vergessen zu machen Angebautes mit beträchtlichem Erfolg unternimmt. Vieles hier, vom Mobiliar zum Kantinenessen, ist ausgesucht lieblos. Die pappigen Nudeln al forno schmecken wie in Kondensmilch gebadet. An den Wänden falsches Holz, an den Lampen falsches Gold. Die protestantische Hölle, oder die westfälische, gäbe es sie, wäre frei von üblichen Torturen und Qualen. Sie wäre, denkt man sich, einfach ein Ort totaler Freudlosigkeit.

 
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last updated: 26.06.12, 16:35

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