Mittwoch, 20. Februar 2002
homo sacer

In der Süddeutschen weist Ulrich Raulff darauf hin, dass nach langen Jahren Giorgio Agambens Essay Homo Sacer endlich bei Suhrkamp erscheint. Mit dem Buch ist Agamben in bestimmten (vor allem US-amerikanischen) Theorie-Zonen zum hipsten politischen Denker avanciert. Ganz kurz gesagt (ein bisschen länger zu einem anderen Buch Agambens hier ) ist das die Politisierung des Fundamentalontologen Heidegger im Rückgriff auf die antike Figur des Homo Sacer als desjenigen, der nicht geopfert werden, aber straflos getötet werden kann. An diese Figur wird Foucaults Unterscheidung von bios und zoe angelagert, die als historische genommen, die Moderne als Bewegung in Richtung Biopolitik sichtbar werden lässt. Der Zugriff (des Staates vor allem, als Institut des Zugriff schlechthin) auf den Menschen erfolgt zunehmend auf sein "nacktes Leben" (so nun Agambens bereits viel verbreiteter Begriff), Politik wird so zu Biopolitik. Das wird, mit Heidegger wie gesagt (Agamben saß als gelehriger Schüler in späten Heidegger-Seminaren in Todtnauberg; außerdem spielt er übrigens auch mal einen Apostel bei Pasolini), tiefer gelegt, ganz tief, so dass diverse, vermeintliche Epi-Phänomene zum Ort werden, von dem aus die Moderne, also auch die Gegenwart (Agamben ist zutiefst ein moderner Denker, und nur die schwersten Geschütze der Philosophie und Literatur existieren da für ihn) zu denken ist. Der paradigmatische Ort: Das Lager, sprich Konzentrationslager.

Zum, wenngleich umgedeuteten, Theorie-Kronzeugen wird dabei der Meister des antiliberalen Denkens, Carl Schmitt, herbeigerufen - und spätestens dann wird es wirklich unappetitlich. Agamben verzichtet auf jedwede Differenzierung, sein Stil ist apodiktisch und seine Theoriekenntnisse sind, trotz der ungewöhnlichen Mischung, sehr begrenzt, nämlich aufs ohnehin Kanonische. Benjamin und Foucault sind neben Heidegger die wichtigsten Denker, auf die Agamben Bezug nimmt, die Prämissen, von denen sie ausgehen, schluckt er mit Stumpf und Stil. Es gibt keine Auseinandersetzung mit eventuell konkurrierendem, das hieße vor allem: liberalem, Denken und ich kann das Buch, kaum dass ich es aufgeschlagen haben, immer wieder nur erbost an die Wand knallen.

 
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last updated: 26.06.12, 16:35

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