Mittwoch, 17. März 2004
left behind

Gestern kam der Schnee, ich drueckte mir die Nase am Fenster platt und schlief gleich wieder ein. Ich bin aufgewacht und habe einen Krimi ausgelesen, draussen nichts zu sehen ausser Schnee. Den Tag im Bett geblieben bis zum spaeten Nachmittag, draussen eiskalt, gefuehlte 21 Grad Fahrenheit, sagt weatherchannel.com. Dazu ein Wind, der einem den Schnee in den Kragen drueckt, vorgestern sass ich noch in der Sonne im Central Park, kurz nur. Morgen geht es nach Austin, Tx, wo 30 Grad Celsius, sagt weatherchannel.com, in Reichweite sind. Es gibt eine Website, die einem das umrechnet, Fahrenheit und Celsius, sonst schwebe ich immer im Ungefaehren und dafuer brauche ich eine Temperaturangabe ja gerade nicht. Ungefaehr gefuehltes Wetter, das kann ich selbst. Als es dunkel wurde, sind wir dann Downtown in die U-Bahn gestiegen, nach Washington Heights gefahren, einen Bekannten besuchen, ein Video gucken. Als wir ausstiegen, war es dann Nacht, der Schnee im gelben Licht, ungemuetlich immer noch, aber schoen. Vor dem Film, auf dem Fernsehbildschirm, der Blick auf den Hauseingang. Kein Fake, alle Bewohner des mehrstoeckigen Mietshauses koennen sich in die direkt uebertragenen Bilder der surveillance camera einstoepseln, sie sich auf den eigenen Fernseher legen. Man haette das aufzeichnen koennen, wir haetten uns klingeln sehen. Der Bekannte verflucht Bush und Amerika, das Video, das wir sehen, ist der erste Teil eines grossen fundamentlistischen Projekts: Verfilmung der Apokalypse. Der Versuch eines Action-Films cum Thriller cum christlicher Missionierung. Menschen verschwinden - im Flugzeug wird das gezeigt -, lassen nur ihre Kleidung zurueck, saeuberlich gefaltet. Die die weg sind, stellt sich heraus, sind bereits im Paradies. Sie sind die Guten. Wer bleibt, die Protagonisten des Films also, der Left Behind heisst, sind die minder Guten. Der Teufel ist der UN-Generalsekretaer (ich scherze nicht). Andere sind bekehrbar und werden bekehrt. Der Held ist ein weich gespuelter Journalist, der zu Gott findet. Auch andere finden zu Gott. Die Freundin des Bekannten unterrichtet an einer katholischen High School an der Upper Eastside. Viele Kinder im besten Pubertaetsalter verbringen ihre Sonntage in der Kirche. Die Zielgruppe des Films sind sie vielleicht nicht. Schwer zu sagen, wer das ist. Nach dem Film eine persoenliche Botschaft des Hauptdarstellers, des weichgespuelten Journalisten, der zu Gott findet, an die Zuschauer. Ihr, die ihr schon bekehrt seid, das eine Prozent der Bevoelkerung, gehet hin und verbreitet die frohe Botschaft. Tut kund was ihr gesehen habt, verteilt Handzettel in eurem christian bookstore. Der Film wurde zuerst auf Video veroeffentlicht, die Missionsansprache ist eines der hauptsaechlichen Werbemittel. Im Kino ging das Machwerk - technisch uebrigens recht kompetent - unter, die weiteren elf oder zwoelf Filme kamen dann ueber direct-to-video-Status nicht hinaus. Und hier schon sind die Flugzeuge ueber Israel digitaler Fliegenschiss. Wenn Hollywood kapiert, dass mit fundamentalistischen Botschaften Geld zu machen ist, sagt der Missionar, dann wird es das versuchen. Es ist spaet, als wir gehen. Die Nacht, der Schnee, eine Stunde Fahrt vor uns. Ich will Mel Gibsons Film nicht sehen.

 
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last updated: 26.06.12, 16:35

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