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Freitag, 27. August 2004
prora
knoerer
11:24h
Prora: 8000 Zweibettzimmer mit Seeblick auf 20Km. 72 Mill. Reichsmark aus enteignetem Gewerkschaftsvermögen. Dafür die Arbeitslosenversicherung geplündert, was so lange nicht auffiel, wie es keine Arbeitslosigkeit gab. Die Zukunft mit Eroberungen finanzieren. Im Kriegsfall als Lazarett nutzbar. Architekt: Klemens Klotz (!), schon Architekt der Ordensburgen. Rheinischer Klüngel, holt viele Kölner Kollegen ins Boot. Le Corbusier: innen liegende Straßen, das frühe Prinzip der Shopping Mall. Eine Halle für 20000 Urlauber. [q, das hab ich von bov. Das q. Und den Link zu Jochen Schmidt.] Hat mich ganz ratlos gemacht, Prora. Überhaupt kein Schrecken. Wirklich an Le Corbusier gedacht, in dessen Marseille-Projekt wir mal gewohnt haben, winziges Zimmer, winziges Doppelbett, Supermarkt im selben Stockwerk, Corbusier-Tourismus, wer sonst täte sich das an. Aber Prora hat mich ratlos gemacht. Meiner Vorstellungskraft einen Tritt in den Hintern gegeben, picture this: 20 000 KdF-Nazis auf einem Haufen, mit Seeblick. Sie wollte nicht, das ist eine Nazi-Fantasie, hat sie gesagt. Weil: es fand nie statt, kein einziger Besucher war hier. Es wurde nicht fertig, der Krieg kam dem Feriensiedlungsweltrekord dazwischen. Nutzung als Lazarett, Nutzung dann durch NVA. Diese Bauten, verfallen, sind einfach da, man kann sich dazu nichts denken. Sie sind einfach, sie verweigern das Entsetzen, sie beeindrucken nicht. Mich nicht. (Und wenn etwas daran erschreckt, dann nur eben das: dass sie mich so gar nicht erschrecken.) Ein Tourist macht Scherze mit Hitler-Stimme, gerne würde ich ihn ohrfeigen. Wir sind mit dem Fahrrad daran entlang gefahren, ja gut, sehr einförmig, aber immer noch, erst recht auf die Dauer: ohne Schrecken, zwischen See und Gebäuden der Wald, der das verstecken soll. Albern, weil es hier kein Geheimnis gibt. Touristen auf dem Weg zum Strand. Nacktbaden. Dann ging es nicht weiter. Verfall, Brache, eine Gaststätte (Genre: Toast-Hawaii-Gaststätte). In der Empfangshalle für 20 000, die von der NVA dann als Turnhalle genutzt wurde, eine kleine Ausstellung. Unfertig wie alles hier. Wir sind in eine andere Gaststätte gegangen, im nächsten Dorf, in dem West-Gelder die Straße zwischen teils noch recht windschiefen Häusern gepflastert haben. Kleine, auch schiefe Muffins gegessen, vom Vortag, mit Fähnchen drin und Smarties drauf. Freundliche Trinker drinnen, wir draußen, Prora hinter uns. Gelernt, dass es auch im Schrecklichen nicht nur ein Jenseits der Vorstellungskraft gibt, sondern auch ein Diesseits.
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last updated: 26.06.12, 16:35 furl
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