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Freitag, 28. April 2006
Dan Reeder
knoerer
14:13h
Sehr schöne Geschichte, sehr schöne Musik. Dan Reeder, Amerikaner im Nürnberger Exil, eigentlich Maler, macht Instrumente, Verstärker, Musik selber, schickt die CD an seinen Helden John Prine, der veröffentlicht sie - ohne jede Änderung - auf seinem eigenen Label. Die ganze Geschichte hier. Drei Songs angespielt auf John Prines Label-Seite. Die "ganze" Biografie von Dan Reeder: geb. in Lafayette, Louisiana Bei amazon.com schreibt ein Bekannter aus Nürnberg über Dan Reeder: When I met Dan in the pub some weeks ago, he gave me a short exclusive concert with one of the new songs. So much: I fell down on the floor, struck by Dans songwriting power! Ein Bild von Dan Reeder: ... Link Donnerstag, 27. April 2006
knoerer
16:30h
In der Grabbelkiste in der Domäne erstaunliche DVDs gefunden. Auf der "Frauenzuchthaus Collection" ("Gequält - gepeinigt - ausgenutzt. Aber ihre Rache ist furchtbar." 3 Filme, 1 Preis) findet sich auch "Camp der gelben Tigerinnen" (a.k.a. Operation first team a.k.a. Return to Tiger Cage a.k.a Woman Prisoner a.k.a. No. 407II a.k.a. Girls in a Tiger Cage 2; Originaltitel Yeosu 407ho). So weit so uninteressant, bzw. widerlich. Der Regisseur ist jedoch Shin Sang-Ok, über den es - zum einen zu sagen gibt, dass er als einer der großen Klassiker des koreanischen Kinos gilt (mehr dazu hier; kurzes Zitat: "Sang-Ok, one of the three 'masters' of Korean cinema featured (Yu Hyun-Mok and Im Kwon-Taek being the others), gives the impression of being Korea’s answer to Kenji Mizoguchi with his dependence on female characters and his thematic concern for the plight of women in Korean social history) - zum anderen, dass er vor allem berühmt wurde dadurch, dass Kim Jong-Il (vgl. "Team America"; file under: Irre an der Macht) ihn Ende der Siebziger Jahre nach Nordkorea entführen ließ, wo er dann im Auftrag des Präsidenten Filme drehen musste (mehr dazu hier). Er entkam unter spektakulären Umständen und suchte in den USA Asyl. Dort drehte er unter dem Pseudonym Simon S. Sheen zuletzt noch "3 Ninjas Buckle Up". - und zum dritten, dass er, wie ich erst jetzt durchs Googlen erfuhr, vor zwei Wochen gestorben ist. (Keinen Nachruf gesehen, nirgends.) Außerdem in der Grabbelkiste: Paul Morrisseys "Beethoven. Die ganze Wahrheit" mit Jane Birkin ("Die schöne Querulatintin"), Wolfgang Reichmann ("Woyzeck"), Mathieu Carriere ("Das Mädchen Rosemarie"). Drehbuch: Morrissey und Carriere. (Zeile aus Imdb-Kommentar: "One excellent scene has pug-faced Beethoven frantically trying to rescue his nephew from the clutches of a maidservant, charging down a hallway, huffing and puffing, with mounted antlers passing by overhead as he approaches the bedroom where his nephew lies. The whole film portrays Beethoven as we don't like to imagine him.") Jetzt muss ich sie noch sehen, die Filme, an stillen Abenden in Konstanz. Nachtrag: Hier das Ende des Guardian-Artikels: "Kim Jong-il continues to issue bold words of guidance to his film-makers. His words are reprinted on a gigantic placard outside the Revolutionary Museum of the Ministry of Culture on the outskirts of Pyongyang: 'Make more cartoons.' ... Link Mittwoch, 26. April 2006
turkmenbashi (file under: irre an der macht)
knoerer
17:15h
Aus dem New Yorker, den ich gerne preisen will als famose Reiselektüre in Bahn, Bus und Flugzeug: Not long after the Soviet collapse, in 1991, a former Communist Party hack named Saparmurat Niyazov became President-for-life, dubbed himself Turkmenbashi—Leader of All the Turkmen—and commenced building the strangest, most tragicomic cult of personality on the Eurasian landmass. Doctors there now take an oath not to Hippocrates but to Turkmenbashi; the month of January is now called Turkmenbashi; and in the capital, Ashgabat, there is, atop the Arch of Neutrality, a two-hundred-and-fifty-foot gold statue of Turkmenbashi that, like George Hamilton, automatically rotates to face the sun. usw., eigentlich geht es um den Autor Rahim Esenov. ... Link
monkey in a zoo
knoerer
11:53h
Gerade entdeckt: Bei emusic.com stellt Jeff Feuerzeig, Regisseur des jedenfalls sehr interessanten Daniel-Johnston-Dokumentarfilms "The Devil and Daniel Johnston", die Musik von Daniel Johnston vor. Man kann sie per Download dort auch käuflich erwerben. Dazu die - kürzlich im Kommentar erwähnte - brillante Hommage von Kathy McCarty, "Dead Dog's Eyeball", immer noch eine meiner Lieblingsplatten, genauer gesagt: -kassetten. (Für Freunde käuflicher Musik ist emusic.com überhaupt eine großartige Sache.) ... Link Dienstag, 25. April 2006
und gennadi aigi kannte ich natürlich mal wieder nicht
knoerer
18:23h
Wieder in Berlin. Herumsurfen nach schlafloser Nacht (Nacht?), durch die ich, überm Atlantik, eher nur durchtauchte, in den Nebel von London hinein. Aber eigentlich wollte ich dies zitieren: oui me dis-je, les maitres à penser de Libé sont bien Ciment et Drucker, ça aurait pu être Badiou Rancières Godard, etc, ils préfèrent Tavernier, des tomates me dis-je, des tomates, je regarde à nouveau cette photo illustrant l'article, je me dis, on dirait un journal municipal, je me dis, mais c'est quoi l'intérêt Und damit nur das sagen: Kühe in Halbtrauer ist wieder frei zugänglich. (Ich weiß nicht seit wann; zwischendurch immer mal probiert und gescheitert.) ... Link Montag, 24. April 2006
sin
knoerer
17:45h
Am frühen Abend, bei tief stehender Sonne, durch puren Zufall beim Schlendern durch Williamsburg bin ich ans Ufer des East River gelangt. Zwischen all den verlassenen, stacheldrahtgegürteten, niedrigen Industriegebäuden am Ufer gibt es diese eine Schneise mit Felsen, zwischen denen die Ratten wimmeln, mit Bänken, auf denen die Menschen sitzen. Erst sind es recht wenige Menschen, dann werden es immer mehr. Sie genießen die Wärme, das Licht auf dem Wasser, im Schatten der Williamsburg-Bridge. Hysterisches Geschrei gelegentlich aus der Gruppe der Hispano-Teenies auf ihren Rädern, kein Wort zu hören von der orthodoxen jüdischen Familie auf der Bank in ihrer von Schwarz durchsetzen Kleidung. Das jüdische Viertel liegt etwas südlich von dieser Stelle, für diesen Ausflug muss die Familie durch Straßenbrache. Ich sah sie kommen, als ich mich näherte, die beiden Mädchen hielten sich an der Hand. Aber es gibt auch Liebespaare auf den Felsen, zwischen denen die Ratten wimmeln und die jungen Künstler oder Möchtegern-Künstler aus Williamsburg. Zwei Männer mit Fotoapparaten, einer klettert wagemutig zwischen den Steinen, auf der Suche nach dem Bild, das dem Klischee entginge. Das ist schwer zu finden, denn gegenüber liegt Manhattan und beinahe ist es schon schwer, das zu erleben, was man erlebt, hier in dieser Schneise am Ufer hinter den Industriegebäuden, weil es sich ein bisschen so anfühlt, als sei man aus Versehen in eine große New-York-Postkarte geraten. Nun passiert einem das allerdings oft in New York. Ich bin gestern einfach so nur, mich von der Edvard-Munch-Schlange vor dem MoMA abwendend, durch die Stadt gefahren und gegangen, hinauf nach Washington Heights, in die Dominikanische Republik von Manhatten, mit dem Bus wieder hinunter, durch Harlem, dann in die Fifth Avenue am Central Park hinein. Ich stieg aus und stieß auf der Lexington Avenue wie stets noch, wenn ich da aussteige, auf junge Frauen mit kleinen Rudeln Hunden an der Leine. Sehr überraschend dagegen, am Abend davor, der Spaziergang mit Gary durch die Nachbarschaft hinter Prospect Park. Erst die große Coney Island Avenue hinunter, archetypische New-York-Straße mit rasch sich einstellenden hispanischen, dann pakistanischen, gelegentlich auch jüdischen Läden, große Betriebsamkeit, vorbeirauschender Verkehr. Nur eine Parallelstraße weiter aber beginnt etwas völlig Anderes, beinahe stattliche Häuser, zwei Stockwerke meist, mit Veranda davor und kleinem Garten. Auf der Straße kein Mensch und kein Auto, aber Bäume und das Gefühl, man ist aus der Stadt gefallen, eine paar Schritte nur und eine andere Welt. Ich werde, wegen meines Ausflugs nach Providence, heute und morgen Abend das große Flarf-Treffen verpassen. Flarf ist eine Gruppe von Dichtern, zu denen Gary gehört. Er erklärt mir die literaturgeschichtliche Genealogie, von Gertrude Stein über die language poets, auf der Postkarte sehe ich, dass auch das Ontological-Hysterical Theater dabei ist, die Truppe der Theaterikone Richard Foreman. (Ich war sechs Tage zu spät in der Stadt, für "Zomboid", das jüngste Stück, die Plakate hängen noch am Zaun der St. Marks Church im East Village, Foremans Spielstätte seit vielen Jahren.) Am Abend hat er mir aber den Flarf-Film gezeigt, den ein Freund, Brandon Downing, gemacht. Es gibt darin betörende Szenen aus Bollywood-Filmen, aber er hat an den Untertiteln gedreht, und es gibt behäbig durchs Wasser ziehende Riesenkraken und einen uralte Mann in einem schwarz-weißen Film mit womöglich dem ganz jungen James Stewart. Die Fahrt mit dem Greyhound-Bus von New York nach Providence ist spottbillig. Allerdings dauert sie lange, deshalb vor allem, weil der Bus zwei Schlenker macht durch Indianerreservate, der Mohegans und der Pequots, von denen man freilich nichts zu sehen bekommt als je ein Kasino. Konfrontiert ist man inmitten das Auge und Raumgefühl durch Natur und Hügel erfreuender Neuengland-Landschaft mit Hotel- und Parkplatzanlagen im Nirgendwo. Mohegan ragt gläsern und postmodern in die Höhe, mit Convention Center und Bussen auf betonierten Flächen mitten im Wald. Das eigentliche Kasino ist mit dem bloßen Auge des Touristen nicht auszumachen, die Logik von Ort und Hotel legt nahe, dass Menschen aus Städten mit dem Bus und dem Auto hierher fahren für ein paar Tage, ein Wochenende und spielen, bis es vorbei ist mit dem Geld. In den auf Fahnen am Straßenrand für sich werbenden tendenziell edlen Läden wiederum wird man auch das Geld los, das man gewinnt. Auf der Rückfahrt steigt im Foxwood-Casino ein nur ganz leicht irre wirkender Mann ein, der sich normal benimmt, bis der Bus von der Bronx her nach New York hineinfährt. Hier beginnt der Mann, laut und immer lauter, schnell und immer schneller mit sich zu reden, in einer Sprache, die nicht identifizierbar ist. Ein anderer Gast lässt sich ein auf ein Gespräch mit ihm und bekommt auf seine kurzen Einwürfe diese Schwälle aus Gebrüll und rasant ausbleibendem Sinn zurück wie Eimer auf Eimer mit Wasser. Er gibt es bald auf. Als wir in der 42. Straße ankommen, hat der Irre in der letzten Reihe komplett die Kontrolle über sich verloren; zum Glück schlägt er bis zuletzt nur mit sich überschlagenden Worten um sich. Providence ist um die Verschönerung von downtown bemüht. Eingefriedete Grünflächen mit Brownstone-Gebäuden, es fehlen nur ein bisschen noch die Menschen auf den Straßen. Eine riesige Mall hat man gebaut, architektonisch, nun ja, abwechslungsreich, aber mitten in die Stadt. Die Kids, erzählt Z., kommen nun aus den Vororten hierher, beinahe möchte ich das für einen genialen Schachzug halten und erinnere mich an den halbherzigen und komplett gescheiterten Versuch in St. Louis, eine Mall ins Zentrum zu setzen. Übrig sind dort nur die Sonnenbrillen- und Andenkenparasiten. Die Rolltreppen stehen still und man verliert sich zu sinistrer Muzak auf den leeren Fluren. Im Foodcourt hat einzig ein Asiate noch nicht aufgegeben und reicht mir freudestrahlend eine große Portion frittierte Panade mit behauptetem Fisch. Die Mall von Providence aber funktioniert, wie es scheint. Überhaupt ist Providence hübsch und überschaubar, das Flussufer hat man begrünt und mit Wegen versehen, auf denen man spazieren könnte. Als "traditionelles Fest" hat man vor wenigen Jahren das "Waterfire" erfunden, mit Feuern auf dem Fluss, es ist, wie Z. Versichert, ein voller Erfolg. In vielen der Städte, die ich besucht haben, waren solche Anstrengungen zur Rückeroberung der Downtown zu beobachten. Nur für die Nacht bin ich zurück in New York und fahre gleich nach der Ankunft zum YMCA in Flushing, am äußeren Ende der Subway-Linie 7 in Queens. Vor zwei Jahren war ich in Jackson Heights, dem Little India von New York mit sich daran anschließender hispanischer Meile, auf halber Strecke nach Flushing gelegen. Ich steige aus und bin in Asien. Genauer lässt es sich nicht sagen, denn neben China sind auch Japan und Korea präsent, wenn nicht noch viel mehr Nationen, deren Schriften und Zeichen ich nur nicht erkenne. Ein Sushi-Laden, der gerade Feierabend macht, verkauft die letzten Waren zum Spottpreis. (Ich greife zu.) In der Union Street, nach links weg von Main Street, reihen sich Restaurants an-, ja türmen sich aufeinander. Ein kunterbuntes Durcheinander von Schriften, die ich nicht lesen kann. Es ist noch reger Betrieb, abends um halb zehn. Wie so oft in New York bin ich ganz Auge und Staunen. Aber auch recht müde und checke bald ein im YMCA, das etwa so schlecht riecht wie das Cherry Street Inn in Kansas City. Auch hier brummt ein Kühlschrank. Das Zimmer ist eine Zelle, nebenan hustet und röchelt ein Mann, als läge er im Sterben. Ich schlafe sogleich ein. Sehr empfehlen kann ich die Billigfluglinie JetBlue. Für siebzig Dollar bringt sie mich von New York zurück nach Austin. Vor dem Start steht der Pilot im Gang, beweist Entertainer-Qualitäten und freut sich sehr, dass wir alle an Bord sind. Das Personal ist locker, aber nicht von der Sorte Prozac-Amerikaner. Im Vordersitz ist ein Bildschirm und man sieht Live-TV. Neueste Filme von Fox könnte ich mir ansehen, für fünf Dollar, gleich neben dem Fernseher im Vordersitz ist der Kreditkartenschlitz. Ich sehe eine sehr schlagfertige Madonna auf BBC America und Teile eines Soccer-Matches zwischen den Mannschaften von Washington und New York auf ESPN 2. Auf dem Feld sind die nur leise verwischten Football-Markierungen zu erkennen, in einer der Mannschaften spielt Djorkaeff. Eine halbe Stunde zu früh bin ich zurück in Austin, wo mich S. und W. abholen. W. kocht für uns, es ist ein sehr schöner Abend. Letzte Woche hatte es in Austin erstmals in diesem Jahr über 100 Grad Fahrenheit. Ich fahre am Sonntag ein letztes Mal in die Stadt. Vor dem Kapitol steht ein Mann in Bermuda-Shorts mit Mikrofon, zwischen Lautsprechern, und hält eine engagierte Rede. Zur Rechten und zur Linken die amerikanische und die israelische Flagge. Niemand ist da. Keiner hört ihm zu. Im Vorbeifahren glaube ich das Wort "sin" zu verstehen. Jetzt sitze ich im Flughafen, mein Flug geht zwei Stunden später als gedacht und ich denke mir, dass von allen Städten, in denen ich auf Dauer dann vielleicht doch nicht leben möchte, Austin die nettest mögliche ist. ... Link Sonntag, 16. April 2006
elefantenzimmer
knoerer
17:36h
Washington D.C. ist weniger eine Stadt als eine Installation. Repräsentation eines Imperiums ohne Plan. Wucht der Gebäude und Zufälligkeit der Anordnung entlang der Mall ergeben einen merkwürdigen Mix. Alles ist viel zu groß und macht gerade deshalb gar nicht viel Eindruck. Man wandert über die stoppelige Grünfläche zwischen den Museen und Bauten, die diese Mitte säumen und man läuft und läuft und geht dabei aller Ehrfurcht verlustig. Für gewöhnlich wird als komisch die Auflösung einer großen Erwartung in Nichts bezeichnet. Aber die Monstrosität des Lincoln-Memorial als Auflösung einer großen Erwartung in etwas viel zu Großes hat auch was. Der Künsler Ron Mueck erzeugt Unheimlichkeitseffekte, in dem er lebensechte Figuren modelliert, aber zu klein. Lincoln, viel zu groß und eingesperrt in seinen ungeschlachten Tempel, macht eine lächerliche Figur, aber unheimlich ist das nicht. Über den Arlington National Cemetary gelaufen, wo allenthalben Schilder auf den Ernst, der an diesem weihevollen Ort geboten ist, hinweisen, und die Stille einfordern, mit der man sich zwischen den Gebeinen gefallener bzw. sonstwie gestorbener Helden zu bewegen hat. In Reih und Glied liegen sie weiß und tot im Gras. Eine ewige Flamme zum Gedenken an JFK; ich kenne nun die Stelle, an der er erschossen wurde und die, an der er liegt, in direkter Verlängerung der Mall hinaus über den Fluss hinauf auf den Hügel inmitten des Friedhofs. Auf einer Balustrade eingraviert wie in einen Grabstein berühmte Worte des großen Mannes. Ich sehe hinunter auf die Stadt und wieder will sich keinerlei Ehrfucht einstellen. Es ist alles so groß, dass fürs Subtile kein Platz ist. Aber auch so zufällig, dass auch der Effekt des Sublimen ausbleibt. Was ein Glück ist. Alles hat die Eleganz des Elefanten im Porzellanladen, ganz also die, um einen jetzt auch nicht sehr subtilen Vergleich zu wählen, des gegenwärtigen Präsidenten in der Weltpolitik. Wobei ich beim Gang ums Weiße Haus immer nur erwarte, Präsident Bartlett zu sehen, oder damit rechne, Josh oder C.J. über den Weg zu laufen, was dann nicht geschieht. Es gelingt mir nicht, mir George W. Bush in diesem Zusammenhang vorzustellen, was vielleicht ein Segen ist, vielleicht auch nur Verdrängung. Gewiss ist Washington anders als die anderen amerikanischen Städte, schon weil ein von Gott und den Menschen verlassener Downtown-Bezirk mit Wolkenkratzern und Häuserschluchten fehlt. Viel Uninteressantes aber gibt es in der "Innenstadt" auch hier. Viele Starbucks, eine kleine Demonstration immerhin, Menschen gehen, gelbe Schilder in der Hand, im Kreis. Sonst aber vor allem viele Menschen in Anzügen und Kostümen. Sie sehen sehr fantasielos aus und einförmig, auf immer schon diplomatische Weise darum bemüht, sie selbst zu sein, wie alle, die zu nah ans kalte Feuer der Politik geraten. Im Regierungsgelände zwischen allerlei Ministerien suche ich eine dreiviertel Stunde lang vergeblich nach einem öffentlichen Telefon. Dann finde ich eines und die Leitung ist tot. Es ist heiß und schwül an diesem Tag in der Hauptstadt. Vier Stunden verbringe ich in der National Gallery und nehme den einzigen Leonardo auf amerikanischem Boden zur Kenntnis. Der Text zum Bild erläutert, dass ein Stück vom ursprünglichen Gemälde unten wohl fehlt und es klingt, als sei man beleidigt, als sei das eine Schmach für die Hauptstadt des mächtigsten Landes der Welt: der einzige Leonardo, aber er ist kastriert. Natürlich aber sind die Museen an der Mall ein Traum. Großartige Bestände, Einzelausstellungen zu Dada, Cezanne, Sugimoto, Hokusai, alles gesehen in knapp sechs Stunden, alles umsonst, die Überfülle des Schönen und unten dann vier Vermeers (oder sagen wir dreieinhalb, bei einem ist man nämlich nicht ganz sicher), da wäre ich fast in Tränen ausgebrochen, weil man auf dieses Zuviel des Überwältigenden doch irgendwie reagieren muss. Am Eingang dann des Moderne-Gebäudes der National Gallery M. begegnet, einer Kommilitonin aus Frankfurt (Oder), deren Freund in Washington arbeitet. Sie kann sich nicht vorstellen, sagt sie, in Washington zu leben, oder überhaupt in den USA. Dann ein Treffen mit einem, der es kann und es tut. S. ging mit mir in die selbe Klasse im Gymnasium in Ansbach, wir sind uns, nachdem wir ewig nicht voneinander gehört hatten, vor ein paar Jahren in Berlin über den Weg gelaufen, wo er bei einem gemeinsamen Bekannten, was ich erst nicht wusste, wohnte und dann einfach so bei einem Fest im Hof aus dem Nichts auftauchte und unserer gemeinsamen Vergangenheit. Er hat Jura studiert, in Bonn und New York, ging von Berlin dann als Anwalt in eine Kanzlei in Washington. Das Büro – es gibt auch eines ein London, eines in Japan, dies hier beschäftigt sechzig Anwälte und das ist nicht viel für die USA, meint S. - liegt in Georgetown, einem von den Studenten der zwei hier angesiedelten Universitäten geprägten Stadtteil, der sich ins, sagen wir Prenzlauer-Berg-hafte hinaufgentrifiziert hat in den letzten zwanzig Jahren, hübsche kleine Häuser, nette, nicht ganz billige Restaurants und zwischendrin noch ein kleiner Bach mit sanft rauschendem Wasser. Ein bisschen wie die Puppenstube zum Elefantenzimmer downtown. Die Kanzlei liegt direkt am Washington Harbor, an einem Knick im Potomac, Boote fahren von hier, Touristen sitzen an gedeckten Tischen und Angestellte umliegender Büros sowie vielleicht sogar Studenten behalten die Welt und das andere Geschlecht im Auge. Dazwischen eine Fontäne, dazwischen auch ich, wartend, etwas früh dran. Dann kommt S., wir unterhalten uns beim mexikanischen Essen, er hat immer einen Blick auf ein Gerät, das wohl ein Handy ist, aber auch E-Mail kann, manchmal vibriert es, er liest dann kurz, was da steht. Ich esse Enchiladas, er Shrimps, er lädt mich ein. Er erzählt mir von seiner Arbeit, ich von meinem Habil-Projekt, wir haben natürlich rein gar nichts gemeinsam, aber es ist ok. Wir sprechen auch über Washington und dass er mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt. Mit dem Taxi fahren wir dann hinaus in die Siedlung, in der er lebt, mit Frau und zwei Kindern, das Haus, das groß ist und sehr schön und das einen großen Garten hat, hat er gekauft. Natürlich kann man sich vorstellen, so zu leben. Es ist schon ein bisschen merkwürdig, sagt er, und es scheint, er hat sich sein zukünftiges Leben doch anders vorgestellt, früher. Es scheint auch, als wollte er klar machen, dass er um die Differenz noch weiß und das Früher, schon weil ich ja aus diesem Früher stamme, der Zeit, in der er Schulsprecher war und aktiv gesellschaftlich engagiert. Er hat übrigens, was den Job angeht, keineswegs irgendwelche Ideale verraten, es ist nur ganz einfach ein sehr erfolgreiches, normales Leben, das er führt. Wir haben Geld, aber wir sind nicht reich, sagt er. Wir haben nur ein Auto, es ist kein Mercedes. Ich übernachte bei S. und C., sie sind sehr nett, es ist eine fremde Welt und auf dem Schreibtisch in dem Zimmer, in dem ich schlafe, liegt ein Aufkleber "Ansbach, Stadt des fränkischen Rokoko". ... Link ... Nächste Seite
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