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Samstag, 30. Oktober 2004
lokal global
knoerer
12:37h
Vor der Abfahrt noch ganz hektisch zur Ersten Bank, ein Tischchen da mit Schnittchen und der freundlichen Mitarbeiterin, darüber eine Stoffbahn mit Aufschrift. Ah, denke ich, heute ist in Österreich also Weltspartag. ... Link
rempelei
knoerer
10:50h
Eine Bekanntschaft, rein virtuell, die mit einer dieser Internet-Rempeleien begonnen hat. Was ein Unsinn war, schon wegen Ozu. Sehr gerne lese ich, mehr wollte ich gar nicht sagen, das Weblog Cyclad-Z. ... Link
viennale nebenan
knoerer
10:35h
... Link
zeitläufte
knoerer
10:12h
Was ich mir noch nie gedacht habe: dass ich in die falsche Zeit geboren bin. Noch nie. Dabei könnte man ja meinen, es gab bessere Zeiten für das, was ich liebe und den Ernst bei der Sache. Und größere Zeiten. Aber so kann ich gar nicht fühlen, sofort dann der Gedanke: Ich hätte dann das nicht kennengelernt und jenes nie erfahren, das ist oft gar nicht konkret, ein Grundgefühl. Höchstens das: Ein Jammer, dass ich alles, was nach mir kommen wird, nicht mehr erlebe. Der Wunsch, in eine ultimative Zukunft hineingeboren zu werden. Keine, in der die Welt endet, nein, natürlich nicht. Eher der schlichte Wunsch, unsterblich zu sein. Aus Neugier. [komme jetzt drauf wegen praschl] ... Link
wien-berlin
knoerer
09:53h
Die gelben Reservierungsschilder über den Sitzen um mich herum im Raucherabteil, in dem dieser Platz noch frei ist im vollen Zug, ich habe nicht reserviert: in Prag erfüllen sich die düsteren Ahnungen. Herein stürmt eine Schulklasse, sie sind 16, 17 vielleicht, Ende einer Klassenfahrt, ich werde umspült, sie lassen sich nieder auf den Sitzen unter den gelben Reservierungsschildern, ich bin allein unter Jugendlichen, Lärm. Ein Vorfall, ein Unglück, einer der Lehrer läuft, watschelt aufgeregt durch den Gang, bückt sich, er hat seinen Geldbeutel verloren, will nicht wahrhaben, dass er ihm geklaut worden ist. Keine Häme unter den Schülern, auch als er weg ist, sie mögen ihn. Herr Nitze. Er ist schon älter, Mitte fünfzig vielleicht, er hat ein etwas fleischiges Gesicht mit nicht ganz gesunder Farbe, es fällt ihm schwer, sich auf den Boden zu knien. Die Schüler sehen unter ihren Sitzen nach, auch unter meinem. Einer, viel größer als Herr Nitze, nimmt ihn vorsichtig fast in den Armen, er ist sich dieser Berührung nicht sicher, eine zögerliche Trostbewegung. Vielleicht wegen dieser Geste beschließe ich, nicht aufzustehen, vier Stunden nach Berlin, die Klasse fährt bis Hamburg. Ich lese James Ellroy "Blut auf dem Mond". Zwei Jungs, einer heißt Moses oder Moe, trägt eine dünne weiße Baumwolljacke über einem dünnen weißen Baumwollpullover und feuert mit der Spielzeugpumpgun, die der mehr als militärisch kurz Geschorene gegenüber im Vierersitz in Prag gekauft hatt. Die Pumpgun wird geschwenkt, ich gerate nicht ins Visier. Der Kurzgeschorene droht alle niederzumähen, die hier rauchen wollen, im Raucherabteil. Er ist der Sportler, er wird später von seinem bevorstehenden Kampf reden und davon, dass er im Dezember vielleicht erstmals Geld verdienen wird in einem Kampf. Ich weiß nicht, welchen Sport er betreibt, Judo, denke ich mir, bestimmt nicht. Kurz darauf wird im Vierersitz Backgammon gespielt, in Berlin dann, als ich aussteige, Maumau, die Karten werden auf den Bahnklapptisch in der Mitte geknallt. Im Sitz neben mir, über den Gang, ein großer Blonder und einer mit Brille, der die Augen geschlossen hat und Musik hört. Musik ist allgegenwärtig, viel HipHop, CD-Player, MP3-Sticks an Halsketten, lange Zeit nur Kopfhörersounds im Abteil, später dann laut, aber manche beschweren sich. Hinter mir zwei, die zeichnen. Er sehr zerklüftete, sehr bunte Figuren, sie einfarbige Blöcke, ich erhasche nur kurze Blicke, kann nicht erkennen, ob sich das jeweils zu etwas fügt. Vier Lehrer sind dabei, eine davon die etwas spitzgesichtige Referendarin, man sieht, dass sie halb noch denkt, dass sie dazu gehört, zu den Jugendlichen, sie ist unsicher, sie wäre gerne cool, stößt auf wenig Resonanz, verschwindet wieder. Es gibt den Bärtigen und den Jüngeren, mit ein bisschen Grau im Haar, Lehrer, denke ich, Lehrer, auf der Straße hielte ich sie für Lehrer. Der Jüngere spielt dann Backgammon mit den Jungs, die Pumpgun ist irgendwohin verschwunden. Handys, die vorgeführt werden. Begehren, das durch den Raum kreuzt. Nur ein festes Pärchen, so weit ich sehe, der Sportler und eine Blonde, später giften sie sich kurz an, nichts Ernstes. Da hinten die, die mit niemandem sprechen und schlecht gelaunt aussehen. Zweimal geht mit Verachtungsblick die Gothic-Fraktion durch den Gang, sie sitzen nicht in meiner Nähe, verschwinden aus meinem Blickfeld. Zwei Jungs haben Wollmützen auf, einer mit Ohrenklappen, der andere ohne. Der Zeichner fängt kurz an, ein Kreuzworträtsel zu lösen, er gibt das gleich wieder auf, einer der beiden mit Wollmütze hat die Bravo in der Hand, keiner liest in einem Buch. Nach vier Stunden Berlin Ostbahnhof, ich verspüre den Wunsch mich zu verabschieden, aber ich lasse das natürlich. Sie haben mich gar nicht bemerkt, sie waren ganz unter sich, Ende einer Klassenfahrt, einmal ist eines der Gummibärchen, mit denen sie sich bewerfen, auf mir gelandet. Hat aber keiner gemerkt. ... Link Donnerstag, 28. Oktober 2004
Viennale-Filme IX: Park Chan-wook: Old Boy (Südkorea 2004)
knoerer
15:03h
Rache ist eine Form von Erinnerung: Die Tat darf nicht vergessen werden und führt zur Rachetat, die zur nächsten Rachetat führt. Die Erlösung schenkt nur der Tod, der ein Ende setzt. Neben dem christlichen, das im Verzeihen liegt, wäre nur ein anderes Ende denkbar, eine Löschung der Rache im Vergessen, ließe sich das Vergessen lernen, könnte Erinnerung vegehen wie Spuren im Schnee. Fünfzehn Jahre ist Oh Dae-Su eingesperrt, ohne Begründung. Es bleibt ihm nichts, all die Zeit, als das Erinnern. Das Erinnern der Zeit selbst, die er sich, Jahresstrich für Jahresstrich, unter die Haut tätowiert, das Erinnern der Zukunft, die die Rache sein wird, für die Gewalt, die ihm angetan wird, jede Minute seiner Isolation. Das Erinnern der Gegenwart, die nicht zerrinnen darf, die den Willen zur Rache wachhalten muss, er schreibt sie nieder, Seite um Seite, Buch um Buch. Er bereitet sich vor, er tritt und boxt gegen die Wand, bis die Hände schmerzen, er gräbt sich ins Freie. Gelegentlich schickt der Teufel, der diese kleine Hölle regiert, das Gas vorbei und die Hypnotiseurin, die der Joker ist im Spiel um Erinnern und Vergessen, das hier gespielt wird. Dann ist Oh Dae-Su frei und begibt sich auf die Suche nach seinem Folterer, nach dem Grund für die Folter. In einer Sushi-Bar findet er eine junge Frau mit kalten Händen, er will etwas essen, das lebt (wie die Erinnerung), er schlingt einen Tintenfisch in sich hinein, die Tentakeln zappeln, das Handy klingelt, Oh Dae-Su fällt in Ohnmacht und findet sich wieder bei der Frau, die auch nicht recht weiß, wie ihr geschehen ist. Ein Katz-und-Maus-Spiel beginnt, in dessen Verlauf sich zeigt: Die Rache, fünfzehn Jahre, war Strafe für Ohs Vergesslichkeit und mit dem Einschreiben der Rache in den Körper des Gefangenen ist es noch längst nicht getan. Die Rache zeugt sich fort und fort. Die Erinnerung kehrt wieder, Oh sucht seine Vergangenheit auf und entdeckt die Urszene, zu deren Wiederholung ihn sein Folterer verurteilt hat. "Old Boy", der Film, stürzt seinen Helden immer tiefer in den Schacht des Erinnerns, eine Windung der Spirale nach der anderen. Erkenntnis wird dabei stets in Gewalt übersetzt, Gewalt in Erkenntnis - Versöhnung aber folgt nicht aus den immer neuen Rechnungen, die die Narration hier aufmacht. Und Rechnungen, deren Element einzig Gewalttaten sind, können nicht aufgehen, sie sind mit Blut geschrieben und können, wenn keine Göttin aus der Maschine eingreift, nur blutig enden. Einem japanischen Manga hat Par Chan-wook seinen faszinierenden Stoff entnommen. Vielleicht stammt daher auch die Idee, ihn möglichst stylish zu inszenieren. Es ist eine schlechte Idee, Splitscreen für Splitscreen und Draufsicht für Draufsicht. Das Blutbad genügt hier nicht (im stärkeren, klareren Vorgänger "Sympathy for Mr. Vengeance" genügte es), der Plot muss auch noch, Bild fast für Bild, im Stilbad gewälzt werden, der Held im splitternden Glas. Im Willen zum Stil geht die Klarheit verloren, die nötig wäre, um den emotionalen Spannungsbogen der verwickelten Geschichte zu erhalten. Park will von jeder einzelnen Einstellung zu viel, traut der Logik der Rache zu wenig, und darum steht der Betrachter am Ende mit leerem Herzen da. Eine Verpuffungsreaktion. ... Link
Viennale-Filme VIII: Ousmane Sembene: Moolaadé (Senegal, F 2004)
knoerer
14:01h
Collé zieht eine Linie, ein buntes Seil vor ihrer Schwelle: Dieses Band schützt die vier Mädchen, die zu ihr kommen, auf der Flucht vor dem Ritual der Genitalbeschneidung. Ihnen auf den Fersen die Beschneiderinnen in rot, furchterregend, aber machtlos. Was sich entwickelt, ist, wenn man so will, ein Polit- und Gerichtsthriller, der um Fragen der Macht, von Sprechakten, von möglichen Revolutionen des Gesetzes kreist. Der Schauplatz ist ein Dorf in Westafrika, dem Ousmane Sembene keinen Namen gibt, der exemplarische Charakter wird umso deutlicher. Machtfragen finden ihre Darstellung in Topografie, in der Verteilung und Aufladung von Räumen, in denen das rechte Wort, die falsche Tat ihren Platz haben, in Handlungen, die als solche symbolisch sind. Mit dem bunten Seil, dem Ziehen der Linie, die Schutz gibt, unternimmt Collé einen Einschnitt in den homogenen Raum der Tradition. Der Schnitt, die Beschneidung der Frau, sind unbezweifeltes Ritual einer patriarchalischen Gesellschaft, die sich - das macht Sembene klar - an den Ritualen stabilisiert, die Akte und zugleich Symbole der Unmöglichkeit des Zweifels sind. Der Widerstand, Collés Widerstand, ist möglich nur im Rückgriff auf eine gleichfalls heilige Tradition, einen Mythos, der in der Topografie des Ortes doppelt instituiert ist: als Straußenei auf dem Dach der Moschee, als Ameisenhügel, an dem eine Geschichte hängt, die ihn zum mythischen Ort macht. "Moolaadé" heißt Schutz, aufheben kann ihn die Person, die ihn gewährt hat, nur durch ein Wort - das nie gesprochen wird. Das Machtspiel kann beginnen. Der Schwager Collés - die die zweite von derzeit drei Frauen Cirés ist - stachelt seinen Bruder an, Collé zur Aufhebung der "Moolaadé" zu zwingen. Das Aufhebungswort muss gesprochen, die Ordnung der Tradition wiederhergestellt werden. Drei weitere Figuren markieren zusätzliche Positionen. Ein Ex-Söldner, der als fliegender Händler für das Eindringen der Moderne in die afrikanische Provinz steht, im Guten wie im Bösen. Er führt Kondome und aufklärerisches Gedankengut im Gepäck, kennt aber keine geschäftlichen Skrupel und entschuldigt sich im Zweifelsfall mit der Globalisierung. Amasatou, Collés Tochter, ist der Präzedenzfall. Collé hat in ihrem Fall schon die Beschneidung verweigert, nun verliert sie ihren Ehemann. Der nämlich ist der Sohn des Dorfoberhaupts, kommt gerade aus Paris, bringt einen Fernseher mit und der Vater verbietet die Heirat mit der nicht Beschnittenen. Die Radios der Frauen werden als Schuldige ausgemacht, eingesammelt, auf einen Haufen geworfen und verbrannt. Es wird nichts helfen, der Fortschritt lässt sich nicht aufhalten. Es kommt zur Aushandlung der Machtverhältnisse, Sembene verschärft und vereinfacht den Konflikt in optimistischer Agitprop-Manier zur Geschlechterfrage, die Revolution findet statt, auf dem Dorfplatz, die Niederlage der Männer lässt sich auch durch einen blutigen Racheakt nicht abwenden. Die Radios verbrennen, schwarzer Qualm steigt gen Himmel. Sembene zeigt das Straußenei. Dann, die letzte Einstellung, die Fernsehantenne, Symbol des Kulturoptimismus. ... Link ... Nächste Seite
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morgigen FAZ: Zum Artikel "Hans Imhoff - Meister über die...
by knoerer (17.02.09, 19:11)
live forever The loving God
who lavished such gifts on this faithful artist now takes...
by knoerer (05.02.09, 07:39)
gottesprogramm "und der Zauber seiner
eleganten Sprache, die noch die vulgärsten Einzelheiten leiblicher Existenz mit...
by knoerer (28.01.09, 11:57)
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