Dienstag, 31. Oktober 2006
im leben nicht

Ich möchte kurz und ganz verliebt darauf hinweisen, dass "Dexter" - seit fünf Wochen beim US-Kabelsender "Showtime" zu sehen - eine ganz großartige Fernsehserie ist. Auf der Website des Senders kann man sich die ersten beiden Folgen ansehen, zumindest, wenn man von den USA aus surft. Ich fürchte, dass es für Auslandssurfer nicht funktioniert - was ein Jammer wäre. Es weiß niemand, ob das je in Deutschland zu sehen sein wird. So bleiben nur die illegalen Möglichkeiten, für die ich natürlich im Leben nicht Werbung machen würde. (mehr)

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Donnerstag, 26. Oktober 2006
noch ein meta geht immer

Dies ist als Stelle an einem Forschungskolleg ausgeschrieben:

Aufgabe des Stelleninhabers/der Stelleninhaberin ist es, Planungsüberlegungen zur Weiterführung des interuniversitären und interdisziplinären medien- und kulturwissenschaftlichen Forschungs- und Lernnetzwerkes an den Universitäten Aachen, Bonn und Köln (ABC-Universitäten) nach Ablauf der dritten Förderphase des SFB/FK 427 "Medien und kulturelle Kommunikation" konzeptionell und organisatorisch zu begleiten.

Kulturwissenschaft, elitepolitisch gänzlich marginalisiert, ist gerade dabei, aus Angst vor dem Tode Selbstmord zu begehen, und zwar in Gestalt leer drehender Selbstfortsetzungsszenarien, auf die sie sich zusehends reduziert. Was dann bleibt, ist die stellenbewehrte Organisation der Selbstantizipation einer Zukunft, die freilich aus eben diesen Gründen anders aussieht, als sie antizipiert wird: nämlich selbst in erster Linie antizipativ. Wer DFG-Gelder will, sollte jetzt Szenarien der Antizipationsforschung zu entwerfen beginnen. Noch ein Meta geht immer.

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Samstag, 21. Oktober 2006
includes barry lyndon

Despite my utter hatred for Sophia's two previous films, I'll admit I think this is the best period piece ever, and that includes Barry Lyndon.

Der meines Wissens derzeit klügste und unberechenbarste aller anonymen IMDB-Kommentatoren mit einem Text zu Sophia Coppolas "Marie Antoinette", einem Text, aus dem ich zwar nicht schlau werde, das aber in anregendster Weise. (Den Film muss ich nun sehen.)

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baltimore im herbst

Auf dem Tennisplatz wärmen die Spieler sich auf in der Morgensonne von Baltimore. Ich sitze am Fenster und schreibe, im 11. Stock des Hauses, in dem mein Apartment liegt, im höchsten Stockwerk, fast auf dem Dach. Und was heißt fast, denn die große Terrasse mit dem Kamin darin, der mir zum Glück weit über den Kopf ragt, ist im Grunde Dach. Zu meinen Füßen das Stadion, in dem mit Fang- und Wurfnetzen an Stöcken weiße Kids Lacrosse spielen und im Lacrosse-Spiel die Verbundenheit mit den Ureinwohnern Amerikas fühlen, denen die Erfindung dieses Spiels, das sie vermutlich heute nicht mehr spielen, zugeschrieben wird. Zu meinen Füßen das Baseball-Übungsgelände, mit einem runden Kreis aus Sand im Rasen und einem geometrisch weniger wohlgeformten halben Bogen aus Sand diesem Kreis gegenüber. Die Stelle, von der aus der Werfer wirft, ein weiterer kleiner Kreis aus Sand, ist gerade von blauer Plane bedeckt. Noch die Steine, die die Plane beschweren, kann ich von hier oben am Fesnter erkennen. Mein Blick geht auf den Campus der Johns Hopkins Universität und die Gauben und Türme der Gebäude, in denen Eliten sich Elitegedanken machen zur Verbesserung der Welt durch Fortschritt in das Handeln von morgen anleitendem Forschen. Mein Blick geht über in erstaunlicher Geschwindigkeit gelblich und gelb, orange und rötlich in allen Schattierungen sich färbende Bäume dahin auf die Wolkenkratzersilhouette von Downtown und dahin auf den Ausläufer der Bucht von Chesapeake, die Baltimore zur Hafenstadt gemacht hat. Seit die besten, ja guten Zeiten dieses Hafens vorbei sind, hat die Stadt zu kämpfen und kämpft die Stadt. Sie ist arm und das Leben ist durch Armut gefährlich, weil der Kampf der Armen ums Leben für viele tödlich ist. Armut und Gefahr sind, wenngleich fast ausschließlich Schwarze Schwarze töten, weniger segregiert als in anderen Städten der USA. Von einem Block zum andern gerät man als einer, der etwas zu fürchten hat, von Sicherheit in Gefahr. Dies potenzielle Geraten, die Unsicherheit der Grenze, machen noch die Sicherheit unsicher und das Leben und das Sich-Bewegen in der Stadt zum Risiko, das man fühlt, weil man darum weiß. Es ist zudem mehr als Einbildung, denn schon der Wechsel, von Block zu Block, zwischen grünem Rasen vor großen Häusern zu vernagelten Fenstern und herabhängenden Dachrinnen, von der gähnenden Leere des Reichtums, der in seinen Häusern und Autos sich verschanzt, zur Belebtheit der Straßen, die sich der Enge der schmalen Häuschen und der Menge der Menschen darin verdankt, drängte sich dem Körper als Empfindung von Raum und Umgebung auf, selbst wenn man nicht hinsähe. Freilich sitze ich im 11. Stock meines Hauses und werfe Eliteblicke und mache mir geschützte Gedanken und weiß sehr wohl um das Privileg meines Blickens und Denkens und kann nur staunen darüber, dass es mir gewährt ist.

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Freitag, 20. Oktober 2006
absagekunst

Als Höhepunkt galt für die meisten Besucher der Donnerstagnachmittag. Da war der Meister aller Klassen des nachbenjaminschen Raunens angekündigt, nämlich Giorgio Agamben. Doch er sagte in letzter Minute ab.[Benjamin-Festival, SZ]

Ja, der kleine Messianismus des großen Agamben. Lässt die Jünger warten und warten, und dann bleibt er erst mal aus. Sie vertreiben sich die Zeit, die bleibt, mit der Auslegung der jüngsten Rätselworte.

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Mittwoch, 4. Oktober 2006
begegnung

Hugo von Hofmannsthal über wichtige Szenen in Weerasethakuls "Tropical Malady":

Allen einsamen Begegnungen ist etwas sehr Süßes beigemengt, und wäre es nur die Begegnung mit einem einsam stehenden großen Baum oder die Begegnung mit einem Tier des Waldes, das lautlos anhält und aus dem Dunkel her auf uns äugt. Mich dünkt, es ist nicht die Umarmung, sondern die Begegnung die eigentliche entscheidende Pantomime des Erotischen.

[H.v.H.: Die Wege und die Begegnungen. Ges. Werke, Bd. VII, S. 160/1.]

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Donnerstag, 21. September 2006
spätsommer schwül

In Olomouc: Viele kleine dunkle Läden, in denen gewettet wird und gespielt, mit rotblinkenden Zahlen draußen mit Jackpotangaben mutmaßlich. Dazwischen blinkt aber, tagelang und nicht weniger aufgeregt, eine Tafel immer nur "Int Error".

In Prag: Im Hotel Tranzit, direkt am Flughafen. Kein Fenster zu öffnen, kein Geräusch zu hören. Weggeschlossen zur Verfrachtung.

In Washington D.C.: Flugzeug, Bus, Metro, Zug.

In Baltimore: Spätsommer, schwül. Jetlag. Flöhe.

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