Freitag, 8. September 2006
pfeffer

Das interessiert jetzt eh keinen und es ist eigentlich auch egal und sowieso kein Wunder, aber jetzt muss ich's doch loswerden. Einen so sagenhaft dummen und ahnungslosen Film"kritiker" wie diesen Daniel Sander, der bei SpOn aus Venedig berichtet, wo findet man denn so einen? Als Absolventen von deutschen Journalismus-Studiengängen? Der jetzt in Film macht? Und den gesunden Menschenverstand mit dem Löffel gefressen bzw. eingeflößt bekommen hat? Um den Leser jetzt da abzuholen, wo er ist? Und was kann man mit so einem machen? Ihn hinschicken? Wohin? Dahin wo was wächst? Der Pfeffer?

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patrioten

Derzeit werden nach Ansicht von Börner niedrig bezahlte Jobs «gar nicht angeboten, weil die Unternehmen wissen, dass sie keiner annimmt». Aufgrund der hohen Transferzahlungen seien Niedriglohnjobs für Arbeitslose «unattraktiv». Er glaubt jedoch nicht daran, dass die Politik willens ist, einen solchen Schritt zu gehen: «Die Gesellschaft in Deutschland ist auch noch nicht reif für einen solchen Schritt – das verstehen die Leute noch nicht», glaubt Börner. [q]

Ach. Eigentlich möchte ich in einer Welt, in der Leute wie dieser Börner nicht nur leben, sondern sogar das Sagen haben oder jedenfalls nicht einfach verlacht werden wie, sagen wir, Eva Hermann, nicht auch leben müssen. Natürlich ist es ganz sinnlos, das jetzt hier hinzuschreiben. (Vielleicht nicht ganz sinnlos. Ein bisschen tröstet es. Immerhin steht es jetzt hier.) Man könnte noch dazuschreiben, dass einer wie der auch Kinder verspeist, wenn es der Wirtschaft hilft, aber das wäre ungerecht, denn natürlich täte er's deshalb nicht, weil es dem Ansehen Deutschlands im Ausland schaden könnte. (So wie der große deutsche Patriot Oskar Lafontaine, um kaum einen Deut besser, Bundeswehreinsätze im Libanon verhindern will, weil sie der Infrastruktur im Inland schaden könnten.)

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Mittwoch, 6. September 2006
langeweile

Der andere Papst, auch unzufrieden:

An Blogs stört mich aber auch diese Personenbezogenheit, dieser Individualismus.

Das gilt auch für die Antworten in Blogs. Da kommunizieren lauter Monaden miteinander, die Kommunikationsgrundlage für das eigene Sprechen ist Originalität. Individualität, Lakonie, Schlagfertigkeit, Witz. Ich finde das langweilig, vermisse die Suche nach Verbindlichkeiten, gemeinsame Formen.[q]

Da soll er doch gleich ne Partei aufmachen. Da soll er doch gleich ne Jugendbewegung gründen. (Die Wahlplakate der "Grauen" schon gesehen: "jung-frech-dynmamisch"? So was in der Richtung...)

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meinen ernst

Was mir allerdings bei der Kritik der jüngeren Rezensenten auffällt, ist eine Eigentümlichkeit, die mich sehr stört: der Inhaltismus.[q]

Sagt wer? Sagt Reich-Ranicki? Er? Woher kennen Wort? Warum verwenden Wort? Meinen Ernst? Er doch Meister von Inhaltismus? Frau Ina Hartwig wo Interview schieben Wort unter?

Um Fassung ringend: die Akzeptanzstelle

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Montag, 28. August 2006
schröder & kalender

Keine Ahnung, liest eigentlich jemand das Schröder&Kalender-Blog bei der taz? Weil, ist ja ziemlich doll, echt Schröder jedenfalls und wenn vieles davon Zweitverwertung aus "Schröder erzählt" ist, sei's drum, wenn nicht umso besser, denn das zu abonnieren kommt ja doch ein bisschen teuer. Ich komme zwar nicht hinterher mit dem lesen, weil die beiden wirklich sehr viel schreiben da, aber ein Vergnügen ist es schon, wenn man Schröder nimmt, wie er nun halt mal ist.

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Dienstag, 22. August 2006
gna gna gnaeus

Für Jonathan Meese ist längst die ganze Welt zu seinem Kinderzimmer geworden. Als sein Kinderzimmer noch sein Kinderzimmer war, ja, da war es noch ein bisschen zum Fürchten. Vollgeknallt mit allerlei aus Zeitschriften geschnittenem Obsessionentand, ein Stalin hier, ein Gnaeus da. Referenzraum John Sinclair und Perry Rhodan, Krikelkrakel und überall lugt ein Meese hervor, mit Bart, ohne Bart, halbnackt und immer ganz schön crazy. Dann aber hat die Welt angefangen, ihm das abzukaufen und jetzt ist sein Kinderzimmer so groß wie die Volksbühnenbühne oder die Deichtorhallen im Hamburg oder der Schlosspark von Neuhardenberg und also: ganz schön groß und immer noch ziemlich crazy, ein Stalin hier, ein Gnaeus da. Zwischendurch führt er dem armen kranken Immendorf den Pinsel und krakelt mit Daniel Richter im Duett. Schöne Fotos von den beiden gibt es auch. Dazwischen Skulpturen, die aussehen wie Scheißehäufchen mit Tentakeln, Referenzraum Perry Rhodan und John Sinclair. Meeses Wahnsinnstextkonvolute werden scheißeteuer eingebunden und scheißeteuer verkauft. Die Welt ist der Markt für Meeses Kinderzimmer. In Meeses Händen aber wird die Welt totalprivatisiert auf ein paar dahergelaufene Erz-Obsessionen, ein Stalin hier, ein Gnaeus da, und Meeses Fresse als Privatweltkind in der Mitten. Das geht einen jetzt gar nichts mehr an. Man stapft durch eine vollgemüllte Meesewelt und alles lallt einen an in halbstark gewordener Babysprache. Alle Referenzen sind umgeschrieben, Kinderzimmerstalin, Kinderzimmergnaeus. Backe backe Scheißehäufchen. Das Ausstellungskuratoriat schwadroniert was vom Meesevokabular. Gna gna gnaeus.

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Mittwoch, 16. August 2006
das wollen wir nicht

Berlin wiederaneignen mit Hilfe der Zahnchirurgie. Heute nur Beratungstermin. Fahrt am Morgen mit dem Rad durchs südliche Außenfutter der Innenstadt, bei Sonnenschein und angenehmer Radfahrtemperatur. Man kann durchfahren von hier am Mehringdamm über Schöneberg, Charlottenburg nach Wilmersdorf. Ich beobachte die Wahlplakate und finde meine Erwartung, dass die Kandidatinnen und Kandidaten immer bürgerlicher werden von Ost nach West, nicht bestätigt. Viele Grüne sehen aus, wie früher FDPler ausgesehen haben. Dafür sehen die FDPler heute aus wie ehrgeizige, aber wegen mangelnder Härte zum Scheitern verurteilte Unternehmensberater. Schlagartig beginnt in Wilmersdorf die NPD-Plakatierung, alle Schilder in beträchtlicher Höhe. Keines ist verunstaltet wie die großen Werbeplakate der Telefonseelsorge entlang der Yorckstraße, auf denen nur ein Wort steht wie "Zuhörer" und "Anteilnehmer". Den vielen weißen Plakatraum darum herum haben Graffitisten für Texte wie "Stop Bush! Stop the War!" genutzt. In Wilmersdorf aber pöbelt der Neonazi Voigt die Vorbeifahrenden an: "Weiterdenken!" In der Praxis liegt auf der Anmeldetheke die Patientenakte eines Winnetou K*ampmann. Winnetou! Dass das gesetzlich möglich ist! denke ich - und denke (weiter!), dass das ein Wilmersdorfgedanke ist. Natürlich habe ich kein Gespräch mit dem Prof. Dr. Dr. med., sondern mit dem Küken der Praxis. Herr Dr. Gutschke ist jung, also jedenfalls jünger als ich. Herr Dr. Gutschke legt gleich los und ich verstehe nicht, was er da redet. Dann dämmert es mir: Er erklärt gar nicht, wie die Operation verläuft und warum sie nötig ist oder nicht, er hat gleich mit den Risiken angefangen. In seltenen Fällen bleibt der Nerv dann tot. Wenn ich in den Tagen nach der Operation fest zubeiße, kann der Nebenzahn, seines Nachbarn verlustig, wegkippen, dann ist er futsch. Nach der Extraktion kann ein Durchgang zum Nasenraum entstehen. Wenn Sie einen Schluck Cola trinken, kommt er dann zur Nase wieder raus. Das wollen wir nicht, sagt Herr Gutschke. Nein, das wollen wir nicht. Auf der Rückfahrt eine andere Route, über den Potsdamer Platz. Da waren wir gestern Abend noch im Arsenal (Letztes Jahr in Marienbad), und als wir rauskamen, haben sie im Dunkeln das IMAX-Schild abgeschraubt, denn das IMAX am Potsdamer Platz ist jetzt tot. Ich habe gelesen, dass in den Saal vielleicht eine Disco einzieht. Ich war in meinem Leben zweimal im IMAX und habe, aus Versehen beim zweiten Mal, zweimal denselben Film gesehen, über einen Ungarn, der nach New York kommt. Das Interessanteste war die historische Stereofotografie. Weiter mit dem Rad zur Friedrichstraße, in den Galeries Lafayette das Lieblingsbrot kaufen (angeschobenes Brot) und in der französischen Buchhandlung Guy Debords "Societé du spectacle" kaufen. Der erste Abschnitt: Toute la vie des sociétés dans lesquelles règnent les conditions modernes de production s'annonce comme une immense accumulation de spectacles. Tout ce qui était directement vécu s'est éloigné dans une représentation. Die Friedrichstraße hinunter. Jetzt ist Lucy Redler wieder da, in Wilmersdorf hängt sie nicht. Auch die WASG-Plakate hängen höher als die der CDU und der Grünen. Plakate am Straßenrand verkünden, dass Bernhard Brink jetzt im Fernsehen kocht und dass Supermann zurückkehrt. Oder umgekehrt. Am untersten Ende der Friedrichstraße, wo sie zur Fußgängerzone wird, gibt es neuerdings, in den Boden eingelassen, Platten mit Namen und Aussprüchen. Es handelt sich, das entnehme ich der letzten Platte, um den "Pfad der Visionäre". Jaroslav Seifert ist dabei, Sandor Marai, auch Ingeborg Bachmann. Auf ihrer Platte steht: "Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar." Keine Platte für Günter Grass.

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