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Freitag, 24. Februar 2006
heiner müller in austin
knoerer
20:12h
Das ist das Haus, in dem Heiner Müller lebte, im Jahr 1975, als er als Visiting Writer an der University of Texas zu Gast war. Sein erster USA-Aufenthalt. Er lebte im oberen Stockwerk. An der University of Texas wurde während seines Aufenthalts auch sein in der DDR verbotenes Stück Mauser uraufgeführt. Ob er es selbst inszeniert hat, weiß ich nicht. Übrigens: Ich habe beim BookPeople-Schnickschnack ganz vergessen, das "Hopping Lederhosen"-Spielzeug zu erwähnen. Wie der Name schon sagt. Lederhosen ("literally 'leather pants' worn by people living in the mountainous regions of Bavaria") zum Aufziehen. Wenn man sie aufzieht, hüpfen sie über den Tisch. "Hopping Lederhosen". Bei BookPeople auf der Treppe. ... Link Donnerstag, 23. Februar 2006
austin diary II
knoerer
22:00h
BookPeople wurde 2005 von Publishers Weekly als bester Buchladen der USA ausgezeichnet. Es ist die größte unabhängige Buchhandlung in Texas. In der Tat ist das ziemlich beeindruckend, auf zwei Stockwerken, sehr gut sortiert, und in jedem Regal hängen Zettel herum, auf denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Lieblinge empfehlen. Durchweg interessante Kommentare. Im Aufgang zum zweiten Stock findet sich der Schnickschnack. Wie etwa Klopapier, das mit Bush-Gesicht und dummen Bush-Sprüchen ("they misunderestimated me") bedruckt ist. Nur kurz mit dem Gedanken gespielt, mir das zuzulegen. Oder "Nunchuck", eine Schleuder, in die man kleine Plastiknonnen einsetzen und dann bis zu 15 Fuß weit katapultieren kann. Vor den beiden recht großen Regalen zu "Gay and Lesbian Studies" und "Cultural Studies" hat ein junger Mann latinoamerikanischer Abstammung, mit Schiebermütze und Koteletten, seinen Tisch hingestellt und liest jedem, der was wissen will, das Schicksal aus den Karten. Er ist im sehr angeregten Gespräch mit einer Frau um die vierzig, sie diskutieren, wer gemeint sein könnte mit der gerade aufgedeckten Karte und dem damit zusammenhängenden Schicksal.
Gegenüber von BookPeople ist Waterloo-Records, der beste Plattenladen der Stadt, aber davor ist eine Schlange von mehr als 100 Metern, sie zieht sich ums Geschäft, sogar einen kleinen Hügel hinauf. Hat bestimmt mit SXSW-Vorverkauf zu tun. Auch an der selben Ecke befindet sich der Wholefoods-Supermarkt, ein Bioladen von ganz unfassbarer Größe. Mir fällt kein Berliner Supermarkt ein, der überhaupt so groß wäre. Hier aber alles Bio. Mit Sushi-Frischtheke, Barbecue-Frischtheke, draußen kann man in der Sonne sitzen, ich habe mich draußen mit meinem Black Bean Burrito in die Sonne gesetzt, die Schlange vor Waterloo beobachtet und gestaunt. Es ist sehr schön, draußen zu sitzen, denn heute ist strahlender Sonnenschein, gegen alle bei FOX 7 News, dem Austin-Lokalsender von FOX, getroffenen Vorhersagen.
Auf dem Rückweg übers Unigelände. Es gibt dort einen genau abgezirkelten Bereich, die sog. Rally Area, an dem politische Agitation erlaubt ist. Und stattfindet. Hier sind sogar Wahlkampfauftritte der Gouverneurs-Kandidaten möglich, ich habe das vor zwölf Jahren erlebt, als George W. Bush gegen Ann Richards antrat. Heute stehen nur zwei Tische von Aktivisten hier. Die einen bieten den "Socialist Worker" feil, die anderen treten für "Islamic Awareness" ein.
Ich habe mir ein Bus-Monatsticket gekauft, das kostet lächerliche 10 Dollar, in einer Stadt, die erstens ein, schon gar für amerikanische Verhältnisse, hervorragendes Busnetz hat – und außerdem so großflächig ist, dass man mühelos eine dreiviertel Stunde mit dem Bus vom Zentrum nach Norden durch die Gegend kurvt und immer noch nicht in die Vororte gelangt ist. Uni-Mitarbeiter und Studenten fahren sogar umsonst. Kein Semester-Ticket, sondern einfach so. Außerdem gerade gelesen, dass Texas einer der elf Bundesstaaten der USA ist, in denen keine Einkommensteuer erhoben wird. Alles indirekte Steuern also, die folglich ich bei jedem Einkauf auch zahle. Ich liege also nicht mal dem texanischen Steuerzahler auf der Tasche mit meiner Billig-Busfahrerei.
... Link Mittwoch, 22. Februar 2006
austin diary I
knoerer
21:38h
Beim Flug von Berlin nach Frankfurt steht bei der Ankunft Sabine Christiansen in der Gangway. Aha, denke ich, da steht Sabine Christiansen. Mehr denke ich nicht. Flug nach Chicago, mehr als neun Stunden. Hinter mir sitzt ein älterer Herr, der indisch aussieht. Nach wenigen Minuten schiebt sich sein nackter linker Fuß auf die linke Armlehne meines Sitzes. Ich schiebe ihn freundlich, aber entschieden wieder zurück. Dann singt er, lauter, leiser, hört auf, fängt plötzlich wieder an. Die Leute sehen sich um zu mir. Ich halte die Lippen ausdrücklich fest verschlossen. Dann ein spitzer Schrei der Frau zwei Sitze schräg hinter mir: "Don't touch me with your feet!" Ein Steward kommt und sagt "This is disgusting" und gibt der Frau einen neuen Platz. Der Inder singt immer lauter. Sie nehmen ihm den Whisky weg, den er vor sich stehen hat. Immerzu rumpelt er an meinen Sitz. Später kommt der Kapitän, nimmt den Inder ins Gebet. Es wirkt Wunder. Er legt sich hin, singt nicht mehr, schläft bis Chicago. Im Jetlag. Es ist kühl, feucht, nieselt, seit zwei Tagen. Ich wohne keine fünfzig Meter von dem Apartment entfernt, in dem ich vor elf Jahren gelebt habe. Aus dem Fenster des Schlafzimmers könnte ich, wäre 1995, jeden Morgen mich sehen, wie ich auf den Bus warte. Allerdings haben sie die Bushaltestelle verlegt. Wir haben Fernsehen, mit Kabelprogramm. Knapp 100 Sender. Viel Lokales, Sport, aber es läuft immer nur Eishockey, Schweiz – Italien und sowas, aber auch FX, wo neue Folgen von "The Shield" laufen. Vor allem aber "Turner Classic Movies", wo es rund um die Uhr Hollywood-Klassiker gibt. Gestern morgen (ich wache natürlich früh auf, schlafe früh ein), gestern morgen in einen seltsamen Film reingeschaltet, ein Arzt im Dschungel, sehr alt, schlechter Ton, völlig blödsinnige Geschichte, so weit ich das mitbekomme, aber dazwischen immer Einstellungen, die höchst erstaunlich sind, weil eindeutig vom Expressionismus beeinflusst. Heute endlich im Netz das Programm Schedule gefunden, der Film war "Arrowsmith" von John Ford. Nie zuvor gehört, um ehrlich zu sein. "Turner Classic Movies" kann man immerzu laufen lassen und sich so eine solide Hollywood-Halbbildung erwerben; es läuft da alles Mögliche, von bekannten Sachen zu erstaunlichstem Schrott. Im Moment: "Edison, the Man", ein Biopic mit Spencer Tracy in der Hauptrolle. Zum Central Market, sagte S., kannst Du durch den Park gehen. Na, Park, denke ich, das ist aber etwas hochgegriffen für dieses Stück Brachland, an das ich mich erinnere. Dann gehe ich da hin und da ist ein Park. "Central Park" nennt er sich, mit Teichen, sogar Gänsen und Schilf und Bäumen und einer ganzen Siedlung auf unbestimmbar alt gefaketer Häuser. Da war nichts vor elf Jahren, nur Brachland. Der "Central Market" aber ist fast unverändert, ein Delikatessenladen, in dem es alles gibt, das bayerische Graubrot noch haargenau an derselben Stelle wie damals. Als ich nach Hause komme, läuft bei TCM das Musical "Night and Day" mit Cary Grant und total verrückten knallbunten Farben. ... Link Samstag, 18. Februar 2006
zum großereignis des tages
knoerer
12:28h
Heute in den Feuilletons Alle Feuilletons widmen sich dem Großereignis des Tages: In der Jianguomenwai Avenue 7 in Peking ist, wie gestern erst bekannt wurde, vor zwei Wochen ein Rad umgefallen. Die FAZ erklärt, warum chinesische Astrologen verheerende Auswirkungen auf die Freihandelszone Shenzen befürchten. Die taz porträtiert einen schockierten Bai Sik Ling, den Gründer der Startup-Firma, die das Fahrrad produzierte. In der FR lesen wir, dass die Weltöffentlichkeit ohne den Mut chinesischer Blogger nie von dem Ereignis erfahren hätte. Das Feuilleton der SZ druckt eine Philippika von Heribert Prantl gegen das Regime, das früh informiert war und bis heute nichts unternommen hat. ... Link Freitag, 17. Februar 2006
übergriffig
knoerer
21:07h
Dinge, die Dir als Filmkritiker so schnell nicht passieren können: FAZ-Theaterkritiker Gerhard Stadelmeier während der Vorstellung von Schauspieler attackiert. (Ich zitiere aus der SZ von morgen.) Damit nicht genug, griff Lawinky den Kritiker an und entriss ihm seinen Notizblock. "Als er meine Schrift nicht entziffern konnte, hat er mir den Block mit den Worten zurückgegeben: Schreib weiter, Junge, der Abend wird noch schrecklich!", berichtete Stadelmaier hinterher. Als er das Theater verlassen wollte, habe Lawinky ihm hinterher gerufen: "Hau ab, du Arsch, verpiss dich!" und Applaus für "den Kritiker" gefordert. Nicht, dass Stadelmeier für seine dumme Süffisanz und seine ignorante Arroganz das nicht verdient hätte... (Obwohl: Wahrscheinlich ist er stolz auf den Vorfall.) Edit: Augenscheinlich nicht. Vielmehr: Das ist neu. Das hat es im Theater noch nie gegeben. Nie auch habe ich mich in meinem über dreißigjährigen Kritiker-Leben so beschmutzt, erniedrigt, beleidigt gefühlt - und so abgrundtief traurig übers Theater. Schreibt er in einem Erlebnisbericht in der FAZ von morgen, in dem er nicht versäumt, jenes Theater, das nicht in den Grenzen seiner von G. St. immer eingeforderten bürgerlichen Empfindsamkeit bleibt, gleich pauschal für schuldig zu erklären. ... Link
Christoph Hochhäusler: Falscher Bekenner (D 2006, German Cinema)
knoerer
16:10h
Erst ist nur ein Schatten zu erkennen im diffusen Dunkel der breiten Leinwand. Eine Straße bei Nacht, eine Kurve, eine Leitplanke und etwas, das sich bewegt. Dann werden die Umrisse einer Gestalt sichtbar, die sich nähert. Sie bleibt stehen, sie blickt auf etwas, das sich unserem Blick zunächst entzieht. Der Umschnitt zeigt: Ein Unfall ist passiert, ein Mann ist tot. Armin (Constantin von Jascheroff), der junge Mann, den wir gesehen haben, hat nichts damit zu tun, aber er wird einen anonymen Brief schreiben und behaupten, er habe das Unfallauto manipuliert. Armin ist ein falscher Bekenner. Er tritt aus dem Dunkel ins Licht einer Geschichte, in der er Fremdkörper bleibt. Mit großer Subtilität richtet der Regisseur Christoph Hochhäusler das so ein. Armin hat soeben die Realschule beendet, es wäre jetzt an ihm, ein Erwachsener zu sein. Wie das geht, weiß er nicht. Und er will es nicht wissen. Er bewirbt sich und hat auf die Frage, warum er diesen Job will und nicht irgendeinen anderen, keine Antwort. Die Wahrheit ist: Er will diesen Job gar nicht, und eigentlich auch keinen anderen. Er ist keineswegs dumm, er hat keinen richtigen Grund zur Klage, die Eltern sind nicht verkehrt, auch die Brüder kümmern sich. Nur versteht keiner, was er hat. Er selbst, so viel wird man sagen können, versteht es auch nicht. Nachts schleicht er auf eine Autobahntoilette, für schwulen Sex. Zugleich nähert er sich einem Mädchen, Katja, auch sie zeigt Interesse. Aber dann sitzen sie bei Kentucky Fried Chicken, sie fragt ihn, wie er sie so sieht und er sagt: Wenn ich mir einen runterhole, denke ich an dich. Selbst das, denkt man, ist womöglich ein falsches Bekenntnis. Mit der Zielsicherheit dessen, der zu viele simple, verlogene Fernsehfilme gesehen und gehasst hat, vermeidet Hochhäusler jedes nahe liegende Klischee. Die Gründe für Armins Lebensgefühl nennt er nicht. Er zeigt stattdessen Symptome und Gefühlslagen, er untermischt kühn die Alltagsmomente mit der Realität oder Fantasie kaum klar zuordenbaren Szenen. Der Film entgeht so allen Eindeutigkeiten. Nicht gewollt, sondern gekonnt. Phänomenal ist der Einsatz der Musik, die Seelenlagen präzisiert, die sich nicht nur in Worten, sondern noch durch reine Wortlosigkeit kaum vermitteln ließen. Die Darsteller, Constantin von Jascheroff allen voran, treffen einen Ton, den man so überzeugend sehr selten hört im deutschen Kino. Aus seinen brillant getimeten Auslassungen gewinnt der Film verstörende Kraft. Und vor allem ist Hochhäusler in seinem zweiten Werk – nach dem insbesondere in Frankreich gefeierten, aber etwas überambitionierten "Milchwald" (2003) – zu einem wahren Meister der Mise-en-Scène gereift. Wie er in einer Plansequenz die um den Tisch versammelte Familie mit Freunden von links nach rechts und zurück ins Bild setzt, das ist phänomenal. Übrigens auch komisch, wie auch in den absurden (aber nur zu wahren) Bewerbungs- und mehr noch den Bewerbungsübungs-Gesprächen. "Falscher Bekenner" ist im letzten Jahr in der prestigeträchtigen Reihe "Un Certain Regard" in Cannes gelaufen. Jetzt war er in der Nebenreihe "German Cinema" auf der Berlinale zu sehen. Er ist nach Frankreich, sogar in die USA verkauft. Der Film ist in kürzester Zeit, mit minimalem Budget gedreht. Die Redaktion von "Das kleine Fernsehspiel" hat, wie Hochhäusler hinterher erzählt, die Finanzierung abgelehnt. Unter den hierzulande herrschenden Filmförderzuständen ist eine Absage des Fernsehens eigentlich das Todesurteil für ein Werk dieses Formats. Hochhäusler hat aber einen Bank-Kredit aufgenommen, viele der Beteiligten haben umsonst gearbeitet. Herausgekommen ist ein erstaunlicher Film. Er ist so brillant inszeniert, dass man ihn unbedingt auf der großen Leinwand sehen sollte. Zum Glück besteht Gelegenheit: Er läuft ab April bei uns im einen oder anderen Kino. ... Link
Jafar Panahi: Offside (Iran 2006, Wettbewerb)
knoerer
14:57h
Die ewigen Weiheiten des Fußballs: Der Ball ist rund. Das Spiel dauert neunzig Minuten. Frauen dürfen nicht ins Stadion. Letzteres jedenfalls gilt im Iran. Das Irritierende ist: Es gibt da nicht eigentlich ein Gesetz, es gibt nur die wohlmeinenden Männer, die finden, dass ihr Verhalten im Stadion Frauen einfach nicht zuzumuten ist. Es steht auch nicht wirklich fest, wie mit Frauen, die es dennoch versuchen, genau umzugehen ist. Also schickt Jafar Panahi in „Offside“ ein paar Frauen, als Männer verkleidet, ins Stadion zum WM-Qualifikationsspiel gegen Bahrain. Er macht also einfach die Probe aufs patriarchale Exempel und führt vor, wie Spielräume im totalitären Regime aussehen könnten. Natürlich ist „Offside“ Fiktion. Als solche hält der Film sich jedoch, wo er kann, ans Reale. Die Aufnahmen, die man sieht, stammen vom tatsächlichen Spiel, der Jubel auf den Straßen am Ende ist echt. Die Darstellerinnen der weiblichen Fans sind ebenso Laien wie die der Soldaten, in deren Obhut sie, nachdem man sie geschnappt hat, während des Spiels genommen werden. Der Ort dieser Obhut ist nun weder draußen noch drinnen. Abgezirkelt ist ein Geviert an der Außenmauer des Stadions. Der Lärm von drinne dringt direkt nach draußen, ein paar Schritte weiter ist ein Gitter, das den Blick aufs Spielfeld erlaubt. Einer der Soldaten kommentiert, von den Frauen angefeuert, stellenweise live. In ihrem Geviert vor der Mauer sind die Frauen die Geiseln der Soldaten, doch das heißt nicht, die Verhältnisse wären von vorneherein klar. „Abseits“ ist, in Jafar Panahis Film, wenn die Frauen sich keineswegs damit abfinden, nicht zugelassen zu sein. Sie revoltieren, sie diskutieren, sie kaspern und fiebern, sie fügen sich nicht in die ihnen zugedachte Rolle als ertappte Übertreterinnen geltender Gesetze. Hier misst der Film die Spielräume in den Geschlechterverhältnissen einer zerrissenen Gesellschaft mit spielerischer Präzision aus. Eine der Frauen schimpft wie ein Rohrspatz und verwendet justament jene Sprache, die Männern vorbehalten ist, vor der die Frauen jedoch, wie vor sich selbst, zu schützen sind. Dass die Wächter selbst Wehrpflichtige sind, zum Dienst am Vaterland eher Gezwungene als sich Drängende also, macht die Grenzen, die sie im Namen einer diffusen, und durch ihre Diffusität auch verhandelbaren Rechtmäßigkeit wegen zu ziehen haben, nur unklarer. „Offside“ ist ein Film von größtmöglicher Einfachheit. Alles daran übt eine weit reichende Mimikry ans Dokumentarische. Kein Stilwille, keine Absicht zur Sichtbarkeit einer Form drängen sich zwischen die semidokumentarische Wirklichkeit und ihre nach Möglichkeit unmittelbare Abbildung. Man hat Panahis Arbeiten, mit einigem Recht, neorealistisch genannt – und gewiss verträgt das, was er will, weder dramaturgische Zuspitzungen noch allegorische Aufladung. Über die simple Offensichtlichkeit des Titels hinaus, der die Rolle der Frauen in einer von Männern dominierten Gesellschaft beschreibt, geht es hier sehr ums Konkrete. Es ist gut und auch schön, dass die Figuren des Films weit reichende Konflikte aushandeln, ohne jede für sich für etwas anderes zu stehen als eben nur für sich selbst. Und doch war ich von Jafar Panahis Film etwas enttäuscht. Es fehlt, was Abbas Kiarostamis keineswegs unähnlich angelegtes Kino so meisterlich macht, die Spur, die oft leise Spur, der Reflexion der eigenen Darstellungsverfahren im Film. Der dokumentarische Neorealismus in „Offside“ gibt sich naiv – und sucht für diese Naivität kein Widerlager in, zum Beispiel, Formen der Selbstbeschränkung. Abbas Kiarostami hat dies in „Ten“ mit ganz einfachen Mitteln erreicht, durch die starre Kamera, die das Innere eines Taxis nie verlässt, durch die minimalistische Experimentalsituation. In „Offside“ jedoch gewinnt das Geviert im Abseits, nicht drinnen, nicht draußen, in den flinken Blickwechseln der Kamera, im naturalistischen Spiel der Laien-Darstellerinnen, in den manchmal etwas schwerfälligen Dialogen nie die Kraft, den dargestellten Konflikten eine Bedeutung zu geben, die in anderer als beliebiger Weise über das, was man sieht, hinaus wiese. Auch das Ende bleibt Geschmackssache. Nach dem Sieg der Mannschaft und der Qualifikation für die WM hierzulande versucht sich Panahis Film in feierndem Überschwang, der eine alle einschließende, aber doch eine geschlossene Nation als Gemeinschaft erträumt. Dazu hört man über den Abspann gelegt ein Lied, nicht die Nationalhymne zwar, aber ein tradierter – den Iran beschwörender - Gesang auf den Widerstand der Nation gegen westliche Bedrückun. Ein Ausschnitt, ein besonderer Moment, mehr nicht, keine Frage. Und doch stimmt der Film allzu umstandslos in diesen Jubel mit ein. Es ist dies vielleicht ein bisschen viel der Versöhnlichkeit. ... Link ... Nächste Seite
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gottesprogramm "und der Zauber seiner
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by knoerer (28.01.09, 11:57)
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