Mittwoch, 3. August 2005
fassen

Mir gestern, bei Ausschnitten aus Rithy Panhs "S 21", wieder gedacht, dass ich wenig auf der Welt so völlig unbegreiflich, oder genauer: nachvollziehbar, finde wie den Typus des indoktrinierten Menschen. Etwas in mir sträubt sich dagegen, das zu fassen.

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junger mann

Junger Mann schreibt verpuzzeltes Drehbuch mit Tarantino-Versatzstücken. Abgetrennter Penis, Tote, die auf Umwegen dahin gelangen, wo sie enden. Alles Punkt 11:14 Uhr. Junger Mann findet Fans für verpuzzeltes Drehbuch. Patrick Swayze, Barbara Hershey, Hilary Swank lesen Drehbuch, sagen zu. Produzenten glücklich. Junger Mann darf bei Film nach verpuzzeltem Drehbuch selber Regie führen. Film wird gedreht, auf Festivals gezeigt. Wir schreiben das Jahr 2003. Dann Boxerfilm von Eastwood. Hilary Swank gewinnt schon wieder Oscar. Deutscher Verleih sieht sich an, was sie so gedreht hat, zuletzt. Nimmt Film von jungem Mann mit Oscar-Schauspielerin in Programm. Oscar-Schauspielerin trägt Zahnspange. Film ist total uninteressant. Film läuft in deutschen Kinos. Ab 1. September. Heißt 11:14. Junger Mann gilt jetzt als Talent mit großer Zukunft. Ha!

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Dienstag, 2. August 2005
fundamentalismus

You don't have to be Osama bin Laden to think that only a horrible culture would produce an "entertainment" like Mr. and Mrs. Smith. (Armond White)

Conversely, during the two long hours of Mr. and Mrs. Smith, a deeply stupid and offensive action comedy-romance, I kept feeling I was being addressed as an obnoxious, heartless, and nihilistic grade-school brat. (Jonathan Rosenbaum)

Der Hass scheint mir interessanter als der Film. Armond White, christlich und ein aggressiver contrarian mit reaktionären Neigungen und Jonathan Rosenbaum, links, intellektuell und ein aufrechter Verfechter des Weltkinos, sind sich einig: Dieser Film verkörpert alles, was hassenswert ist an Hollywood. Ich war also - ich hatte beide Kritiken gelesen - auf einiges gefasst, nicht aber auf diese nicht weiter aufregende, aber sehr relaxt servierte Ehekomödie mit Ego-Shooter-Einlagen. Ego-Shooter ist nicht strikt richtig, es läuft aber darauf hinaus, mit professionellen Killern sollen wir sympathisieren, ungezählte (genauer gesagt: gezählte) Leichen pflastern ihren Weg. Das aber ist nicht wirklich ein Problem. Und ich habe mich bemüht, ernsthaft, wenn man so will, das als Problem zu sehen. Der Film aber verunmöglicht einem, das, was da geschieht, das, was man da sieht, Ernst zu nehmen.

Genau dagegen, scheint mir, richtet sich freilich der Hass von Rosenbaum wie White. Sie fühlen sich beleidigt, weil sie spüren, dass der Film sie darin verspottet, Ernst zu nehmen, was sie sehen. Der Film ist, das erkennt White sehr richtig, fundamental anti-fundamentalistisch, eine Sache für liberale Ironiker. White nun ist weder liberal noch ironisch, Rosenbaum zwar liberal, aber wild entschlossen, Ironie, jedenfalls diese ganz rücksichtslose Ironie, als Zynismus zu begreifen. Mir scheint das falsch. Es gibt, gewiss, nicht die Spur eines utopischen Moments in Mr. and Mrs. Smith, jeder Zugang zu einer Ebene, die nicht einzig und allein clever wäre, ist versiegelt. Das Skript - interessanterweise entstanden als Abschlussarbeit an der Columbia-Universität - ist da in jeder Hinsicht auf der Höhe seiner selbst, auch der bekanntlich recht intellektuelle Regisseur ist es. Es geht nur um die - wortspieltechnisch, nicht seelisch - raffinierte Verwechslung von Ehe und Beruf, die hier, das ist die Pointe (gewiss, die einzige), auffällig kontrastieren. Das Paar trifft sich zuhause, sie haben es gerade knapp nicht geschafft, einander umzubringen. Dialog: I missed you. I missed you, too.

Das Buch, die Regie, die Musik, die dazu immerzu ein Liedchen pfeift: Sie interessieren sich für nichts anderes als ihre Pointen und das Gesicht und die Kleidung und den Körper von Angelina Jolie und das Gesicht und die Kleidung und den Körper von Brad Pitt und wie man beides so hochenergetisch aufeinander, dann auch gemeinsam auf eine völlig anonym bleibende Mitwelt jagt, dass nichts als rauchende Trümmer bleiben. Es gibt keine Rücksichten auf realistische Darstellbarkeit, der reine "Action-Impressionismus" (sagt S.P.).

Was der Film nicht hat, ist irgendeine Tiefe. Rosenbaums wie Whites implizite Unterstellung ist die, dass er sozusagen keine Grenzen hat. Sie glauben, diesem Film ablesen zu können, dass die Gesellschaft, die so etwas hervorbringt, dass die Leute, die so etwas mögen, die Unterscheidung zwischen einer raffinierten Oberflächlichkeit und einem Diskurs der Ernsthaftigkeit nicht treffen können. Als wäre die Fähigkeit zum Registerwechsel nicht gerade das, was den Anti-Fundamentalisten auszeichnet. Nur der Fundamentalist sieht alles immer als Beleg für die Weltsicht, die er hat. Für einen liberalen Fundamentalisten wie Rosenbaum hat darin vieles, sehr vieles Platz, nicht aber eine Form von Ironie, die durch und durch geht. Er kann das Durch-und-Durch-Gehen nicht als lokal begrenzt akzeptieren. Ein Fundamentalist wie White stellt "The Passion of the Christ" dagegen, als Meisterwerk. Ich glaube, dass ich beiden Positionen die desjenigen vorziehe, der sich bei einem nicht weiter wichtigen Film wie "Mr. and Mrs. Smith" amüsiert. Schon deshalb, weil es die schlichte Wahrheit ist.

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Sonntag, 31. Juli 2005
please make good movies

Zweiundzwanzig Filme hat Sadao Yamanaka gedreht, drei davon sind erhalten. Er war ein guter Freund von Yasujiro Ozu, sein furchtbar (aber sehr gelassen) trauriger Humanity & Paper Balloons blieb sein letztes Werk. Als er ihn drehte, 1937, war er noch keine dreißig Jahre alt, aber er musste in den Krieg und kam nicht zurück. Er hat ein Testament hinterlassen, dessen Wortlaut ich aus dem Booklet zur Humanity-DVD abschreibe:

The Last Will and Testamet of Yamanaka Sadao (1938)

I have nothing to say as an Infantry Corporal in the Japanese Army. I have done my best as such.

A word as a member of the Assiociation of Film Directors in Japan:

If Humanity and Paper Balloons should prove to be the last film by Yamanaka Sadao, I would feel a little aggrieved. It is not a loser's grief.

Allmy insurance money goes to Mr. Inoue Kintaro.

I am very sorry that Mr. Inoue has to take the trouble for me. Pay all my debts at P.C.L. and Naruse, the restaurant. Probably my money will not cover them all. Cheat them to make them content with the result.

If there should be a surplus, share it among the Associatio and the Zenshin-za.

Lastly, I say to my seniors and friends:

Please make good movies.

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Samstag, 30. Juli 2005
west wing forts.

Nach längerer Zeit wieder "West Wing"-Folgen gesehen. Zuerst, wie noch jedes Mal, die Perfektion bewundert, der Dialoge, der Dramaturgie. Eine Virtuosität, die nicht Mühe verbirgt, sondern Mühelosigkeit zeigt. Dann aber geht es aufs Ende der Staffel zu und die Dinge geraten aus dem Gleichgewicht. Man sieht, worauf es hinauswill, man sieht und spürt jetzt, was sie versuchen, statt dass man den Flow des Gelingens spürt, der einen sonst trägt. Die Rückblenden in die Jugend von Bartlet und Mrs. Landingham sind ein kleines bisschen, wirklich nur ein kleines bisschen clumsy, der Auftritt in der Kirche ist ein beeindruckender Auftritt, aber doch so, dass man sieht, wie er geschrieben ist und gespielt. Großartig daran der eigentümlich schlenkernde Gang von Martin Sheen, als wollte er das Herausfallen aus den Bewegungs- und Passgenauigkeiten, die sonst herrschen, dann auch noch mitspielen. Überhaupt sehr schön und sympathisch die Versuche, zu verlangsamen, herauszufallen, die Kamera hält sich zurück, wenn Leo die Todesnachricht überbringt. Dann der Auftritt von Mrs. Landingham als Geist. All das ist schön, es rührt, aber es rührt eben auch in seinem Nicht-Ganz-Gelingen. So ein bisschen die Rührung wie bei einem eleganten Tier des Wassers, das Flugversuche macht, die, nun ja, nicht ganz glücken. Es fliegt, aber es fliegt viel weniger schön als es schwimmt. Es dreht sich um, ein bisschen unsicher, als wollte es den Betrachter fragen: Fliege ich schön? Nein, nicht so richtig, denkt man. Aber man liebt das vielleicht, nein sogar ganz sicher mehr als das virtuose Gelingen, man ist nicht peinlich berührt, gar nicht, sondern eben angerührt von dem, was nicht schön fliegt, weil der Verlust der mühelos wirkenden Eleganz, den einer auf sich nimmt, weil er noch mehr will, etwas noch Schöneres, eben fliegen, und das, obwohl ihn keiner dazu gedrängt hat, man liebt das inniger, könnte man sagen, weil es tatsächlich etwas anderes, ja, etwas Größeres ist als etwa dann ein virtuoses Fliegen, mit dem es sich messen müßte. (Aber wir messen es nicht daran, es wäre ganz unsinnig, es daran zu messen.) Und wenn es sich dann umgedreht hat, das Tier des Wassers, und gefragt hat "Fliege ich schön" und die Zweifel gesehen hat, dann lacht es und fliegt einfach weiter, nicht aus Trotz, sondern weil es auch eine Freiheit ist, eine bisher ungekannte, nicht elegant zu sein und schön. Es geht, am Ende dieser zweiten Staffel, um diese Dimension des Präsidenten. Wie einer, im Versuch, mehr als perfekt zu sein, auf eigenes Risiko und bewusst, seine Eleganz verliert, gedemütigt und geohrfeigt wird. Es ist aber richtig so, genau richtig - und das gilt für Bartlet wie für die Serie, der man dann auch die "Dire Straits" durchgehen lässt und einen rundum sowieso ziemlich katastrophalen Musikgeschmack.

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Freitag, 29. Juli 2005
kein kommentar

Bild.T-Online.de, ein Gemeinschaftsunternehmen von Axel Springer Verlag und T-Online, hatte in dem Prozess argumentiert, gerade jüngere Internetnutzer gingen von einem generellen Werbecharakter des Internets aus. Eine klare Abgrenzung zwischen Werbung und redaktionellen Beiträgen sei deshalb nicht erforderlich. [q]

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ah, venedig

Ah, der neue Film von Philip Gröning in einer Nebenreihe: Fast drei Stunden, eine Dokumentation über Kartäusermönche. Schon der Titel, der verspricht, was man da erwarten würde, ist höchst verlockend: "Die große Stille".

Ah, der neue Film des großen Philippe Garrel im Wettbewerb, "Les amants réguliers", ziemlich genau drei Stunden lang, ich sehe die verständnislosen, gelangweilten Kritiken schon vor mir.

Ah, der neue Film von Abel Ferrara, auch im Wettbewerb, über Maria Magdalena,genauer gesagt über eine Schauspielerin (Juliette Binoche), die Maria Magdalena spielt und sich mit ihr zu identifizieren beginnt.

Dafür wär' ich gern in Venedig.

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