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Montag, 6. Juni 2005
the sea
knoerer
10:08h
Gerade gelesen: John Banvilles soeben erschienenen Roman "The Sea". Ein älterer Mann, Kunsthistoriker, der soeben seine Frau verloren hat, kehrt an die Stätte seiner Kindheit zurück. Ein Erinnerungs-, ein Melancholieroman. Ein sehr typischer Banville-Held, illusionslos, scharf beobachtend, vor allem sich selbst, und doch ist ihm nicht ganz zu trauen. Banvilles Sprache wie stets Satz für Satz aufs Äußerste poliert, kühl, klar, voller präziser, manchmal preziöser Beobachtungen. Die Wirklichkeit weniger beschrieben als beschworen, im Strahlen der Sprache eher ermattet als errettet. In dieser Hinsicht der vollendete Gegensatz zu Willeford. Ein großer Roman, aber manchmal war es mir doch zu viel, die Anstrengung, das straff Gespannte dieser Sprachwerdung der Welt. Vielleicht gerade nach der Willefordschen Entspanntheit. Zum Vergleich eine merkwürdige Parallelszene zum Zusammenhang von Sex und Gott, der Ich-Erzähler Max Morden hat ein junges Paar am Strand beobachtet: So, this, I thought, or it was thought for me, so this is what they do. Love among the big people. It was strange to picture them, to try to picture them, struggling together on their Olympian beds in the dark of night with only the stars to see them, grasping and clasping, panting endearments, crying out for pleasures as if in pain. How did they justify these dark deeds to their daytime selves? That was something that puzzled me greatly. Why were they not ashamed? On Sunday morning, say, they arrive at church still tingling from Saturday night's frolics. The priest greets them in the porch, they smile blamelessly, mumbling innocuous words. The woman dips her fingertips in the font, mingling traces of tenacious love-juice with the holy water. Under their Sunday best their thighs chafe in remembered delight. They kneel, not minding the mournfully reproachful gaze the statue of their Saviour fixes on them from the cross. ... Link Freitag, 3. Juni 2005
RWF
knoerer
20:51h
Ach. ... Link Donnerstag, 2. Juni 2005
looking for a street
knoerer
13:48h
Gerade gelesen: Charles Willefords "Looking For a Street", seine Kindheits-Erinnerungen. Klingt nicht spannend, ist aber eines der wenigen wirklich makellosen Bücher, die ich kenne. Zitiert wird auf dem Klappentext der "New Yorker": "Mr. Willeford never puts a foot wrong" – und genau so würde ich das auch sagen. Nichts kommt hier groß daher und diese Bescheidenheit ist niemals falsch. Lakonisch, im Blick auf die Dinge, die ihm widerfahren sind, von einer unbestechlichen, im Grundton freundlichen Genauigkeit. Was ihm widerfährt, ist der Tod seines Vaters, da ist er zwei, ist der Tod seiner Mutter, da ist er acht, ist ein Leben auf der Straße für einige Zeit während der amerikanischen Depression. Die Perspektive des Erzählers ist die des Kindes, aber auf eine Weise, die ich so noch nicht kannte. Unterstellt nämlich bleibt die Gültigkeit der Beobachtungen, in der Naivität liegt hier nicht Blindheit oder Ahnungslosigkeit, sondern eine durch nichts einzuschüchternde Unerschrockenheit. Ich möchte sehr viel daraus zitieren, aber ich beschränke mich auf zwei Stellen. Dabei ist das Buch voller Passagen wie dieser, die dem Leben nichts an Bedeutung unterstellen: I also practiced, until I could do it quickly and easily, rolling a cigarette with Bull Durham tobacco and brown wheat-straw papers, using only one hand. I had plenty of extra papers, and I sat cross-legged on my cot, with a spread newspaper to catch the loose flakes of tobacco, and practiced it until I had it down perfectly. This is no great achievement, but it is a trick greatly admired by those who witness it, particularly by my fellow soldiers when I later joined the regular Army. The trick is to roll a thin cigarette instead of a fat one, and to make certain there is a deeply hollowed space in the center of the little pile of tobacco in the paper before rolling it between forefinger, stiff middle fingers, and the thumb. The thumbnail should be at least a quarter-inch long beyond the tip, because the nail does most of the work. Anyone who has twelve or fifteen hours to spare can learn easily how to roll a cigarette with one hand. Nichts Besonderes? Eben. Umgekehrt wird auch das Besondere als ganz Unbesonderes geschildert – und das hat erst recht seine Richtigkeit. Hier noch die Szene, wie Willeford seine Unschuld nicht verlor: Pablito brought me a bottle of beer, my first, which I was unable to finish. I couldn't abide the bitter taste. After eating a few tacos with him, I left the cantina and walked to the far edge of town to the house of blue lights. This was purported to be the best whorehouse in Agua Prieta. There were several girls in the bar area, and they formed a rough line when I came in to look them over. When I hesitated, unable to make a decision, one of them selected me by grabbing my hand. She was a young woman, mocha-colored, with wide soft hips, a white blouse, and a long red skirt. We went outside and around to the other side of the building where each girl had a separate room with a private door to the dirt street. She closed the door and took off her skirt and blouse. She then knelt in font of a garishly colored magazine illustration of Jesus Christ on a cross. The picture was lighted from below by a candle in a blue glass. She crossed herself, rose, came over to where I was standing, and checked my cock for V.D. I didn't get an erection. She then washed my cock with a dishcloth, using a sliver of soap and a shallow panful of tepid water. I still didn't respond, and knew that I would not, regardless of what she tried to do to me. (...) The woman hadn't been surprised, nor did she make any effort to keep me in the room. She assumed, I supposed, that I had already been with a girl earlier in the evening. But I had not, of course. Her keeling posture in front of the religious picture, and then crossing herself before grabbing my cock had sent chills down my back. Although I was not a religious person, there was no way that I could commit fornication in the same room with a shrine. My chances of finding a Protestant woman in Agua Prieta were negligible, so I knew I must wait to commit the big sin with some indifferent Jewish or Protestant woman back in the States. I was not a Catholic, so I was not concerned with the state of my so-called soul, but I was concerned deeply with the state of that Catholic whore's soul. I could not, knowingly, contribute to her execution of a mortal sin. Dieses Buch ist ein Schatz und man kann es einzeln oder derzeit ganz unerschwinglich zusammen mit Willefords Militär-Erinnerungen "Something About a Soldier" kaufen, in einer schlampigen Book-on-Demand-Ausgabe mit dem Titel "Collected Memoirs" (auf dem Buchrücken heißt es freilich "Collected Memiors"). Das ist natürlich besser als nichts und doch eine Schande. Aber so ist das. ... Link
dolly
knoerer
13:45h
Ich frage mich öfter, wie einer zum Star wird oder Stichwortgeber in der Wissenschaft. Gestern zum Beispiel ein ziemlich unsäglicher Vortrag von W.J.T. Mitchell, der in weiten Bereichen der Kunstgeschichte und Medientheorie ein Mann von Einfluss ist. Er hat irgendwann das Buzzword vom "pictorial turn" erfunden und führt nun, da er den Kamm hat, über den er alles, was irgendwie nach Bild aussieht, scheren kann, munter zusammen, was bei näherer Betrachtung nicht zusammengehört (oder vielleicht gehört es nach eingehenderer Betrachtung dann doch zusammen: die aber bleibt bei Mitchell in jedem Fall aus). In seinem gestrigen Vortrag etwa ohne Scheu und übers rein Assoziative hinaus reichende Erklärung das Klonschaf Dolly (selig) und das World Trade Center (selig). Heraus kommt wenig sachdienliche Gratis-Empörung über Georg W. Bush und die in ihrer Steilheit doch verblüffende These, dass die US-Regierung alle Terrorwarnungen überhörte, weil sie zu sehr mit dem Klonen bzw. seiner Verhinderung befasst gewesen sei. Weitere Auftritte haben, wahllos, Osama Bin Laden, Saddam Hussein (als fallende Statue, beim Zahnarzt), Täter und Opfer in Abu Ghraib, Terroristen egalwie, George Lucas' Klonkrieger (auch wenn Mitchell sie immer wieder Steven Spielberg unterjubelte), Jurassic Park. Die Gunst des Publikums hat Mitchell sich damit erkauft, dass er zu Beginn seinen Verzicht darauf erklärt, den Text, der ostentativ auf dem Tisch lag, vorzutragen, da das seine drei bis vier Stunden gedauert hätte. So spricht er frei und dann wird eben locker und lässig nach dreißig Minuten die Zeit schon lang. Zum Einsatz kommt die Power-Point-Präsentation, mit deren Hilfe Bild an Bild an Bild gereiht wird. Aber vielleicht liegt genau darin die tiefere Logik von Mitchells Erfolg: Er ist der perfekte Wissenschaftler der Power-Point-Generation, nährt sich von der Schein-Evidenz ähnlicher Bilder, lässt ein anthropologisches Grundbrummen mitlaufen (urtümliche Angst des Menschen vor dem eigenen, mithin geklonten Bild) und liefert zu allem Überfluss noch die windige Medientheorie, mit der sich die Zusammenhänge von Bild und Logik von den Füßen auf den Kopf stellen lassen. ... Link Dienstag, 31. Mai 2005
weltstadtmelancholie
knoerer
19:03h
In den Straßen vor den Geschäften jetzt Gartenzwerge. Bunt, nicht klein. Das "Lauscherle" vor dem Hörgeräteladen, das muss aber nachts immer rein. Es hat ein Hörrohr am rechten Ohr. Vor dem Goldschmied ein goldener Zwerg. Sie sind überall und sie werden immer mehr. Die meisten bleiben nachts draußen. An schönen Tagen fröhliche Menschen unter meinem Fenster, fröhlich, betrunken und laut, bis spät in die Nacht. Vorgestern die Fahrt nach Basel: Aufatmen, endlich wieder eine Weltstadt. Heiß und schön. Alles sauteuer. Jeff-Wall-Ausstellung im Schaulager. Muss ich mal meinen Verstand zusammennehmen und etwas dazu schreiben. Jetzt nicht, ich bin müde. Gestern dann S.'s Vortrag im Kunstmuseum, am Bahnhof der Laden mit Bollywood-Filmen, im Zug sehe ich den ersten Teil des indischen Aids-Dramas "My Brother Nikhil" und bin angetan. Dann ein sehr angenehmes "Geschäftsessen" mit Herrn H. und Frau K. in der Metropole Z. Jetzt wieder unter Zwergen. Sehr früh morgens immer die Straßenputzmaschine, die auch Lärm macht. Wenn es kalt ist, schließe ich das Fenster und höre wenigstens die Touristen nicht, die bei schlechtem Wetter ja ohnehin ausbleiben. ... Link Samstag, 21. Mai 2005
das grauen
knoerer
07:49h
Die letzten Tage in der Stadt haben mir die Augen geöffnet. Bisher hielt ich Kirchentage für das Grauen - nun habe ich die Turnerinnen und Turner kennengelernt. Und ihre typische Zusammenrottungsform "mit Fröhlichkeit gefüllter U-Bahn-Waggon". Ohne zunächst einen Zusammenhang zu sehen, habe ich mich gestern erst gewundert, dass es keine Reservierung mehr gibt für den Zug nach Konstanz und dann zur Kenntnis genommen, dass das Turnfest heute endet. ... Link Donnerstag, 19. Mai 2005
gleichung
knoerer
12:01h
7.30 Uhr aufstehen + 1 h anstehen = 60 Euro Ersparnis. War aber nix, nur noch Listenabspeisung. Menschen in Lidl Kreuzberg (Oranienstraße) gelassen. Keine Hektik, man stand halt so rum. Eine Flasche Olivenöl fiel zu Boden, kam die Wischmaschine, viel mehr ist nicht passiert. Konstanzfahrt am Samstag jetzt nicht nur lang, auch teuer. ... Link ... Nächste Seite
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gottesprogramm "und der Zauber seiner
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