Montag, 4. April 2005
stimme

Und dann wurde mir klar, dass ich die Stimme des Papstes nur als auf ihr Echo aus den Lautsprechern immer schon wartende Stimme mit dem dann auch eintreffenden Nachhall kenne. Eine Platz- und Stadionstimme. Und wie zuletzt noch diese Stimme vom Körper eingeholt wurde.

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Sonntag, 3. April 2005
literaturkritikerliteraturkritikkritik

Der Essayist Hans Magnus Enzensberger hat den Klüngel im deutschen Kunstbetrieb kritisiert. In der aktuellen Ausgabe des Berliner Magazins "Monopol" schreibt der 70-jährige Dichter: "Worauf es ankommt in der Kunst, auf dem Theater, in der Mode, im Film oder in der Literatur, das machen immer nur wenige unter sich aus." Es seien nur sehr wenige Vermittler und Netzwerker, die alle wesentlichen Entscheidungen treffen würden.

So sei eine neue Gattung entstanden - "Galeristenkunst, Theatertreffentheater und Literaturkritikerliteratur". Weder auf die Künstler noch auf das Publikum komme es heute noch an, so Enzensberger.[q, via random items]

Nichts gegen Klüngel-Kritik, aber das zielt doch in eine arg populistische Richtung. Und ein bisschen kommt mir dergleichen immer so vor, als mache man zum Beispiel der Physik den Vorwurf, dass sie im 20. Jahrhundert zur Physikerphysik verkommen sei, außer einer Handvoll Spezialisten verstehe das keiner mehr.

Vielleicht hinkt der Vergleich, aber deutlich weniger, scheint mir, als man zunächst denkt. Schwierigkeiten alter Männer mit der Ausdifferenzierung der Gesellschaft. Als eher lächerlicher Widerstand dagegen begreifbar die häufigen krude metaphysizierten Naturwissenschafts- Versatzstücke in Enzensbergers doch reichlich mediokrer Lyrik.

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schwere stunde

Nein, ich empfinde keinen Respekt. Wenn's nach mir ginge, dürfte sich die Katholische Kirche, der ich mit einem ganz reinen und kindlichen Hass anhänge, auf der Stelle auflösen und alle Ratzingers dieser Erde sollen im üblichen Kadavergehorsam dabei gleich tot umfallen. Gleichfalls kindlich verschaffe ich mir Erleichterung im Gedanken, dass Gott diesen seinen Oberhirten sich jetzt ordentlich vornimmt und windelweich klopft, wegen all der am rechten Glauben Krepierten, die er zu verantworten hat, und dann ab in einen der übleren Kreise der Hölle, ewige Harninfektion mit chinesischer Wasserfolter, wie wäre es damit. Schade auch immer wieder, bei solchen Gelegenheiten, dass ich derlei Glauben nicht besitze. Er wäre Trost, in dieser schweren Stunde.

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Samstag, 2. April 2005
buttrig grau

Gestern zur besten Sendezeit auf Sat 1 betende Menschen minutenlang und nichts passiert, nur eine weibliche Kommentarstimme stolpert herum, übersetzt ein bisschen, vermittelt ansonsten den Eindruck weit reichender Ratlosigkeit. Davor war noch genial daneben und daneben auf RTL war Günter Jauch, der von allem nichts wusste und von der Werbung sowie von Peter Klöppel im Mantel gelegentlich unterbrochen wurde in seiner ganz unpassenden Fröhlichkeit, einem Peter Klöppel freilich, der auch nur ratlos rätseln konnte, was gerade geschehe hinter den erleuchteten Fenstern und dann wieder Werbung, und die abgewickelte Ratefrau aus der Finanzbuchhaltung, die auch von nichts wusste, kannte den Ausdruck Lungenbrötchen nicht. Dazwischen, sehr blond und blauäugig und souverän wie stets Marietta Slomka, die die Neuigkeit ein ums andere Mal verbreitete, dass es Neues nicht zu berichten gebe. Flacher Atem jetzt nun gut und womöglich ein Koma. Die schwindende Hoffnung schwindet und schwindet und dass einer stirbt und stirbt wird so recht erst zur Nachricht, wenn er endlich tot ist. Ewig schiebt die Nachricht sich auf und der Aufschub, der dauert, breitet sich aus im Programm als sich immer wieder selbst unterbrechende Wiederholung und Leere. Es stellte sich, ganz objektiv, kann man fast sagen, bald der Wunsch ein, er möge gnädig sein, ein Ende machen mit sich und der Warterei, die Himmelspforte hinter sich zuziehen und die Schleusen öffnen für die armen Redaktionen, auf dass sie, nun guten Gewissens, ihre seit zehn Jahre in der MAZ vermodernden und bei Gelegenheit aktualisierten Nachrufe loslassen können und Einschätzungen und ihre Experten, vielleicht auch nicht immer diese Frau aus der ZDF-Kirchenredaktion, die dann am Abend ins Schwarze gewechselt war, wahrscheinlich noch schnell nach Hause gefahren, umgezogen, allemal besser Schwarz, hat sie sich wohl gedacht, als das, was sie am Nachmittag da getragen hat. Und dann, den ganzen Tag im selben Pullover mit Reisverschluss und seltsam weichen Gesichtszügen unterm buttrig grau gesträhnten Haar, auch Grit Boettcher, die mit dem Papst zusammen ein ziemlich verrücktes Paar abgab, gestern.

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Freitag, 1. April 2005
schöner sachpreis

Hat das Telefon geklingelt, eine Frau war dran und legt gleich los:

gutentaghieristfrauxvomyserviceyeinefragewermoderiert denmusikantenstadlkarlmoikoderkarldall

Pause

Ich: Was ist denn das für ein Anruf?

Frau X: ichrufeanvomserviceyundsiekönneneinenschönensachpreis gewinnen

Ich: Ja, sonst noch was.

Danke gesagt. Aufgelegt.

Dabei hätte ich die Antwort doch gewusst.

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Montag, 28. März 2005
Ed Sherin

Seltsames Regisseurs-Schicksal: 1971 dreht Edward Sherin "Valdez is Coming" mit Burt Lancaster nach Elmore Leonard, nach übereinstimmender Auskunft sämtlicher Quellen ein starker Western. Hier ist das nachzulesen: "That was an experience, not knowing one end of the camera from the other and having to direct Burt Lancaster right out of the box — he was tough," Sherin said."That picture has had some underground success through the years, and I still get residuals. But more importantly, that picture got me into the Guild."

Sherin ist ind en 70ern ein höchst erfolgreicher Broadway-Regisseur. In den 90ern Executive Producer der vielfach ausgezeichneten TV-Serie "Law & Order". Aber nicht mehr als zwei Arbeiten fürs Kino, außer "Valdez" der völlig unbekannte Vietnam-Film "My Old Man's Place", ebenfalls von 1971 - die IMDB-Kommentare höchst viel versprechend.

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weglassen

Was ich nicht verstehe, ist die Aufregung über das "White Trash"-bashing in "Million Dollar Baby". Nicht dass ich nicht glaubte, dass Eastwood reaktionär ist, aber wir sind doch hier nicht im Gesinnungs-Beurteilungs-Stadl. Für den Film braucht er nicht mehr als diese Karikatur. Vielmehr: Das Problem scheint eher, dass die Familien-Backstory überhaupt überflüssig ist, weil Psychologie-Erklärerei, die mit dem eingepackten Schnitzel schon erledigt sein sollte. Und den ganzen "My Darling"-Blödsinn, den braucht es auch nicht. Und "Danger" auch nicht. Und das Morgan-Freeman-Voiceover verdoppelt viel zu oft. Und das Bild durch das Glas in der Bar am Schluss, weg damit. Seltsam, dass alle Welt die "Kunst des Weglassens" preist, wo doch noch viel zu viel drin und dran ist an Unter- und Überfutter, abrundendem Allerlei. Kein schlechter Film, aber man sehe sich mal Don Siegels großartigen "Die Flucht von Alcatraz" an, zum Vergleich. Meisterwerk der Reduktion.

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